Sonntag, 8. April 2012

"Niemand wird zurückgelassen: Eine Schule für Alle"

So lautet der Titel des äußerst informativen, anregungsreichen und denkwürdigen Buches von Rainer Domisch und Anne Klein, das im Februar 2012 erschienen ist.

Durch den Tod von Rainer Domisch im August 2011 ist diese Veröffentlichung all denen, die ihn kannten und schätzten, zu seinem Vermächtnis geworden.


Als langjährigem Mitarbeiter im finnischen Zentralamt für Unterrichtswesen und unmittelbar Beteiligtem an der finnischen Bildungsreform fiel Rainer Domisch völlig unerwartet aufgrund des außerordentlichen deutschen Interesses an dem PISA-Sieger Finnland mit der ersten PISA-Veröffentlichung 2001 die Rolle des "Botschafters" für das finnische Bildungssystem in Deutschland zu.
Er erklärte auf die ihm eigene freundlich-sachliche Art der deutschen (deutsch sprachigen) Bildungspolitik, der Fachöffentlichkeit und den Medien, wie das finnische System "tickt". Ein Jahrzehnt nach der ersten PISA-Veröffentlichung ist nun sein Buch in der Co-Autorenschaft mit der deutschen Erziehungs- und Politikwissenschaftlerin Anne Klein posthum erschienen.

Das Buch ist weitaus mehr als eine Beschreibung des finnischen Schulmodells für eine breite deutsche (deutsch sprachige) Leserschaft. Es gibt auch Einblick in das Menschen- und Gesellschaftsbild, das sich untrennbar mit der einen SCHULE FÜR ALLE verbindet. Darüber hinaus dient der gezielte politische Vergleich zwischen Finnland und Deutschland den Autoren als kritische Auseinandersetzung mit der PISA-Rezeption der deutschen Bildungspolitik.
Die finnische Gesellschaft ist auch mit den Herausforderungen des Neoliberalismus und der Globalisierung konfrontiert.

Dafür, dass emanzipatorische und sozial förderliche Werte nicht verloren gehen, steht das grundlegende gesellschaftliche Leitbild: Niemand wird zurückgelassen!


Es ist keine abstrakte Idee, sondern verankert in der SCHULE FÜR ALLE. Für die deutsche Gesellschaft gilt aus Sicht der Autoren, dass sie die Bedeutung dieser ethischen Aufforderung "Niemand wird zurückgelassen" aus den gewaltsamen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts gelernt haben sollte.

An die Überzeugung, dass jede Gesellschaft jederzeit lernen kann, knüpfen sie die Hoffnung, dass das 21. Jahrhundert auch in Deutschland von der Einsicht geprägt ist, "dass eine demokratische Gesellschaft auch ein auf die Herstellung von Chancengleichheit zielendes Bildungssystem benötigt".
Der Anhang enthält finnische Antworten auf die am häufigsten gestellten "deutschen" Fragen und lässt "Stimmen aus Finnland" mit eigenen Erfahrungen zu Wort kommen. Eine wunderbare Möglichkeit für jeden Leser bei sich zu überprüfen, was er verstanden und gelernt hat durch die Lektüre und wie sie persönlich nachwirkt.

Quelle: BIZEPS Info Online
Der komplette Artikel ist einzusehen unter:
http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=13122


1 Kommentar:

  1. Deutschland - Finnland: ein bildungspolitischer Kontrast
    Das Buch wird eingeleitet mit "Sieben Thesen für eine adäquate Bildungspolitik". Nach Überzeugung der Autoren gründet diese auf dem Bewusstsein eines demokratisch verfassten Rechts auf Bildung. Sie ist auf Partizipation und Transparenz angelegt und hat als obersten Gesichtspunkt soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.

    Sie ist der Inklusion als umfassendes Menschenrecht ebenso verpflichtet wie der Öffnung zur Transkulturalität und nicht zuletzt hat sie Bildung als öffentliches Gut angemessen auszustatten. Die deutsche Realität erscheint dazu in einem scharfen Kontrast.

    Diese Thesen werden in den nachfolgenden Kapiteln vertieft und mit analytischem Blick auf die finnischen und deutschen Alltagsbeschreibungen von Schule reflektiert. Sie werden zu einem Leitbild für gute Schule in einer demokratischen Gesellschaft verdichtet und legen das ganze Ausmaß des Demokratiedefizits in Deutschland offen.

    Angereichert werden die bildungspolitischen Analysen und Reflexionen durch anekdotische Erzählpassagen. Rainer Domisch erinnert sich z.B., wie deutsche Kultusminister und Schulpolitiker nach Helsinki pilgern, um das Geheimnis des finnischen Erfolgs zu ergründen.

    Mit der finnischen Schulrealität konfrontiert, wollen sie jedoch die Schlüsselrolle der integrierten Schulstruktur für den finnischen Schulerfolg nicht wahrhaben. Man kehrt nach Deutschland zurück, ohne etwas gelernt zu haben. Rainer Domisch erfährt, dass Verantwortliche bereit sind zu Reformen, "aber nur, wenn damit die hierarchische Gliederung des Schulsystems nicht angetastet wird".

    Er unterstreicht mit seinen persönlichen Erlebnissen den zentralen Befund, dass es in Deutschland keine erwachsene Reaktion auf die PISA- Ergebnisse gegeben hat. "Eine erwachsene Reaktion", so die Autoren, "wäre die Entscheidung für eine politische Analyse, verbunden mit dem Eingeständnis eigener Versäumnisse und der Bereitschaft von anderen Modellen zu lernen."

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