Freitag, 13. Februar 2015

Yanis Varoufakis: Der globale Minotaurus








Der globale Minotaurus: 
Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft [Kindle Edition]

Yanis Varoufakis Ursel Schäfer 
Globalisierung, Gier und fehlende Bankenregulierung – sie alle wurden für die Krise der Weltwirtschaft verantwortlich gemacht. In Wahrheit sind dies nur Nebenschauplätze eines weit größeren Dramas. Eines Dramas, das in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurzelt und bereits seit den 1970er Jahren auf offener Bühne spielt: als die Welt wider besseres Wissen begann, mit ihrem Geld den »Globalen Minotaurus« Amerika zu nähren – so wie einst die Athener dem mythischen Fabeltier auf Kreta Tribut zollten.

Heute sind die USA als Stabilisator der Weltwirtschaft selbst nachhaltig geschwächt, und die Konsequenzen des Machtvakuums zeigen sich allerorten. Sie machen vor allem eines klar: Stabilität in der Weltwirtschaft ist nicht umsonst zu haben; sie erfordert historische Entscheidungen – wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Hegemonialstellung Amerikas begann.
Statt hektischer Rettungsaktionen mit immer kürzeren Verfallsdaten ist eine grundlegende Debatte über Stabilitätspolitik, ist ein Neuanfang unvermeidlich.
Über die Finanzkrise selbst und fehlende Lösungen dazu sind zahlreiche Publikationen erschienen. Yanis Varoufakis aber hinterfragt, wer letztlich die Schuld für die Finanzkrise trägt. (...) Ein Buch, das gelesen werden muss.
(Indira Gurbaxani, Süddeutsche Zeitung)


In verständlicher Sprache, die Makroökonomie fest im Blick und unterm Sattel die Bücher des John Maynard Keynes, macht Varoufakis sich ans Werk. (...) Ein kluger Befund zur Lage.
(Christiane Müller-Lobeck, taz)


Das Buch entschleiert unter anderem den Mythos des deutschen und japanischen Wirtschaftswunders, die weniger auf der angeblich jeweils so effizienten Arbeitskraft beruhen, als auf einseitigen politischen Entscheidungen der USA.
Und das größte Verdienst des Autors ist sicherlich, dass er unterhaltsam beschreibt, wie die 'freie Marktwirtschaft' dabei von wenigen Strategen aus Washington über Jahrzehnte genauestens geplant und staatlich gelenkt wurde. 
(Roman Herzog, SWR2 Die Buchkritik)







Wie der griechische Finanzminister den Kapitalismus retten möchte


YANIS VAROUFAKIS HAT SEIN BUCH “DER GLOBALE MINOTAURUS” AKTUALISIERT UND ZUM GRATISDOWNLOAD INS INTERNET GESTELLT. FALTER, 11. FEBRUAR 2015
varoufacker 3Was wollen die Griechen wirklich? Werden sie sich mit einer Umschuldung und einem Ende der Austerity in ihrem Land zufrieden geben? Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Das sind die Fragen, die gerade die Schlagzeilen beherrschen. Gut möglich, dass sich die Syriza-Regierung am Ende mit halben Sachen zufrieden geben wird.
Gut möglich aber auch, dass sie ein viel größeres Reformziel vor Augen hat.

Um zu begreifen, welches das sein kann, lohnt es sich, sich mit den Plänen jenes Mannes zu beschäftigen, der binnen weniger Tage zu einer Zentralfigur der Eurozone geworden ist: mit den Ideen von Yanis Varoufakis, dem neuen charismatischen Finanzminister in der Tsipras-Regierung. Gerade tourte er durch Europas Hauptstädte, in Griechenland ist er längst der Darling der Herzen.

Und auch global stieg er wie eine Rakete zum Ökonomiestar auf: Der Guardian nannte den Ökonomen mit dem offenem Hemdkragen, der mit seinem BMW-Motorrad ins Ministerium fährt, “den coolsten Politiker Europas”, der “Businessinsider” machte den Sack dann zu, indem er ihn mit dem Attribut “interessantester Mann Europas” belegte. Die Superlative sind jetzt aufgebraucht, keine Steigerung mehr möglich.
Zur Coolnessdiagnose darf man wohl auch hinzuzählen, dass Varoufakis, kaum war er ernannt, die Veröffentlichung der Neuauflage seines Buches “Der globale Minotaurus” vorzog und gratis zum Download bei Amazon einstellte. Wer also einen Kindle hat, der darf jetzt kostenfrei runter saugen.
Varoufakis, der zuletzt als Professor in Texas an der Seite seines Freundes James K. Galbraith wirkte, zeigt sich in diesen Buch als brillanter Postkeynesianer mit einer großen Bewunderung für den US-dominierten Nachkriegskapitalismus – was, nebenbei gesagt, alle Charakterisierungen als gefährlicher Linksradikaler ziemlich absurd erscheinen lässt !!!

Varoufakis zeichnet eine große globale Analyse: Das Wunder der Nachkriegszeit war, dass eine starke hegemoniale Ökonomie, nämlich die der Vereinigten Staaten, alle Überschüsse der Welt aufkaufte, das globale Kapital anzog, aber weise genug war, diese Mittel in die schwächeren Staaten so zu reinvestieren, dass diese nach und nach selbst ihre Produktionsbasis erweiterten.

“Recycling der Überschüsse”, nennt Varoufakis das.
“Hegemonie unterscheidet sich von Beherrschung oder bloßer Ausbeutung, weil der wahre Hegemon weiß, dass er in die Fähigkeiten seiner Partner, Surplus zu produzieren, investieren muss.”
Auf diese Weise wurde nicht nur die Weltproduktion gesteigert, sondern auch die Nachfrage geschaffen, die nötig ist, um diese gesteigerte Produktion aufzukaufen. Amerika hat sich, obwohl dominierend, selbst beschieden, weil es begriffen hatte, dass das für die Stabilität des Systems notwendig ist und am Ende alle davon profitieren. “Selbstbeschränkung ist eine seltene und verstörende Tugend.”
Doch dieser Mechanismus ist heute zerbrochen.
Bis 2008 wurde er noch auf perverse Weise aufrecht erhalten.
Deutschland, das stärkste Land Europas, hat seine Nachbarn und Eurozonen-Partner niederkonkurriert und Leistungsbilanzüberschüsse aufgebaut.
Die Partner konnten nur überleben, indem sie in die USA exportierten. Das aufstrebende China tat das selbe und baute seinerseits Leistungsbilanzüberschüsse auf. Die USA sogen die Überschüsse auf, indem sie exorbitante Budgetdefizite aufbauten und indem sich die amerikanische Haushalte hoffnungslos verschuldeten.

Doch seit Ausbruch der Finanzkrise ist der Mechanismus kaputt und nicht mehr auf herkömmliche Weise reparabel. Die USA türmen zwar Budgetdefizite in bisher unbekannten, astronomischen Höhen auf, können aber den globalen Nachfrage-Ausfall nicht mehr kompensieren.
Das Drama ist, dass die Eurozone als mögliche globale Lokomotive völlig ausfällt. Einerseits, weil Deutschland als stärkste europäische Ökonomie versagt, nicht zuletzt deshalb, weil ihr politisches Führungspersonal auf fatale Weise ignorant gegenüber ökonomischer Vernunft ist. Varoufakis, der in deutschen Zeitungen als Mann mit deutschlandfeindlichen Tönen porträtiert wird, plädiert in Wirklichkeit für ein “hegemoniales Deutschland” – also ein Deutschland, das in der Eurozone genau die Rolle einnimmt, die die USA lange für die Weltökonomie spielten.

Und zweitens,
weil die Eurozone fatal falsch konstruiert ist, etwa mit einer Europäischen Zentralbank, aber ohne gesamteuropäische Fiskalpolitik und mit nationalen Fiskalpolitiken, die etwa der Bankenkrise überhaupt nicht Herr werden konnten.
Man stürzte sich panisch in eine Austeritätspolitik, die die Schulden nur mehr drückender machte, das Wirtschaftswachstum abwürgte und die Nachfrage zusätzlich ruinierte. Das Ergebnis ist eine katastrophale Abwärtsspirale.
Von den Schuldnerländern wird verlangt, ihre Schulden zurück zu zahlen, aber gleichzeitig werden sie daran gehindert, jene Einnahmen zu erwirtschaften, die das ermöglichen würden. Das ist auf beinahe schon kriminelle Weise dumm.
Varoufakis ist ein Mann mit einem Plan, am ehesten ein radikaler modernistischer Sozialdemokrat.
Nachdem ich ihn vor zwei Jahren im Wiener Kreisky-Forum zu Gast hatte, beschäftigte er sich eingehend mit der Figur Kreisky und schrieb danach auf seinem Blog als Antwort auf einen Kreisky-Kritiker:
“Ich bleibe bei meinem Enthusiasmus für den Mann Kreisky und bei meiner Überzeugung, dass Europa darunter leidet, dass wir zur Zeit keine Männer wie ihn in hohen Ämtern haben.”
Es ist völlig offensichtlich, dass Varoufakis ein solcher Mann sein will.

Robert Misik
20150213

6 Kommentare:

  1. siehe auch:
    Machtpoker um Griechenland : Alternativen zur neoliberalen Krisenpolitik !!!

    http://bilgungwissen.blogspot.no/2015/02/machtpoker-um-griechenland-alternativen.html?showComment=1424628995032

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  2. In einem provozierenden Buch von großer analytischer Klarheit und Überzeuguunqskraft stellt Yanis Varoufakis - inzwischen Finanzminister Griechenlands - die Diskussion
    über die Wirtschaftskrise vom Kopf auf die Füße. Er macht ihre historischen Entstehungssbedingunqen deutlich und zeigt Wege zu ihrer Überwindunq auf.

    Globalisierung, Gier und fehlende Bankenregulierung - sie alle wurden für die Krise der Weltwirtschaft verantwortlich gemacht.
    In Wahrheit sind dies nur Nebenschauplätze eines weit größeren Dramas. Eines Dramas, das in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurzelt und bereits seit den 197oer-Jahren
    auf offener Bühne spielt: als die Welt wider besseres Wissen begann, mit ihrem Geld den »Globalen Minotaurus« Amerika zu nähren - so wie einst die Athener dem
    mythischen Fabeltier auf Kreta Tribute zollten. Heute sind die USA, als Stabilisator der Weltwirtschaft, selbst nachhaltig geschwächt, und die Konsequenzen des
    Machtvakuums zeigen sich allerorten.
    Sie machen vor allem eines klar:
    Stabilität in der Weltwirtschaft ist nicht umsonst zu haben; sie erfordert historische Entscheidungen - wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Hegemonialstellung
    Amerikas begann.
    Statt hektischer Rettungsaktionen mit immer kürzerem Verfallsdatum ist eine grundlegende Debatte über Stabilitätspolitik, ist ein Neuanfang unvermeidlich !!!

    Nur weniqe wirtschaftswissenschaftliche Bücher sind so eloquent, bissig und verständlich geschrieben wie "Der globale Minotaurus".
    Varoufakis präsentiert eine bemerkenswerte Interpretation globaler Finanzkrisen. Er geht zurück auf den Schwarzen Freitalg von 1929, zeigt im Detail, wie die
    USA mit dem Bretton-Wouds-System die weltweiten Einkommensunterschiede für sich nutzten, und er bietet mit dem "Überschussrecycling" eine erste Lösung.
    Mirko Smilianic, Deutschlandfunk

    In verständlicher Sprache, die Makroökonomie fest im Blick und unterm Sattel die Bücher des John Maynard Keynes, macht Varoufakis sich ans Werk. Anstatt beim Thema
    Wachstum bloß auf private Investoren zu setzen und, wie es mit überschaubarem Ergebnis derzeit geschieht, wieder und wieder Geld in Richtunq Bankensektor zu leiten,
    fordert Varoufakis in seinem Buch einen entschiedenen Einsatz der europäischen Institutionen. Ein kluger Befund zur Lage.
    Chnistiane Müller-Lobeck, taz

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  3. Dieses Buch zeigt eindeutig, dass der Wirtschaftswissenschaftler (Studium - University of Essex, University of Birmingham; Dozent - Universität von Cambridge,
    East Anglia, Glasgow und Sydney, sowie Athen), Lehrkraft an der Universität von Cambridge, Mitbegründer der gemeinnützige Organisation Vital Space, ein strikter
    Gegner der Austeritätspolitik, heute griechischer Finanzminister neben den Nobelpreisträgern für Wirtschaft Paul Krugman und Joseph Stiglitz einer der wenigen
    Koryphäen in diesem Bereich ist.

    Varoufakis’ volkswirtschaftlicher Standpunkt wurde von einem Analysten als „John Maynard Keynes mit einem Hauch von Karl Marx“ beschrieben.[ Phillip Inman und Katie Allen
    - 26. Januar 2015] Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnete ihn als Pragmatiker, der mit den europäischen Kollegen eine für beide Seiten akzeptable Lösung suchen wolle.
    In einem provozierenden Buch von großer analytischer Klarheit und Überzeuguunqskraft stellt Yanis Varoufakis - inzwischen Finanzminister Griechenlands - die Diskussion
    über die Wirtschaftskrise vom Kopf auf die Füße. Er macht ihre historischen Entstehungssbedingunqen deutlich und zeigt Wege zu ihrer Überwindunq auf.
    Anfang März erscheint sein Buch "Yanis Varoufakis: Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise" auf Deutsch !


    Durch die Austeritätspolitik, als Antwort auf die griechische Staatsschuldenkrise wurden Yanis Varoufakis Ansicht nach „hohe Verluste aus den Büchern der Banken auf
    die schwachen Schultern der griechischen Steuerzahler verschoben in dem vollen Bewusstsein, dass die Kosten, weil die griechischen Schultern zu schwach dafür waren,
    auf Deutschland, die Slowakei, Finnland, Portugal und anderen überschwappen würden“. Nicht Griechenland sei gerettet worden, sondern Banken und verschiedene
    Hedgefonds.
    Da durch die drastischen Sparauflagen die Einkommen der Menschen um ein Viertel bis zur Hälfte reduziert wurden und gleichzeitig die Lebenshaltungskosten stiegen,
    sei es sowohl für die öffentliche Hand als auch für den privaten Sektor in Griechenland unmöglich geworden, alte und neue Kredite zurückzuzahlen.

    Yanis Varoufakis Einschätzung der Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung:
    „Der Euro ist nicht zukunftsfähig. Die Art und Weise, wie die EU diese Krise anging, war monumental idiotisch. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Situation
    nicht unter Kontrolle, Europas Bankensystem bleibt weiterhin fragmentiert, und wir bewegen uns eher in Richtung Nationalisierung der Politik als in Richtung Fiskalunion.
    Wenn wir Europas Probleme weiterhin so behandeln wie bisher, dann wird es in ein paar Jahren keinen Euro mehr geben.“ –
    Yanis Varoufakis: Interview[27. Januar 2015] im profil

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  4. "..."Wenn Ihr denkt, Ihr tut gut daran, progressive Regierungen wie unsere zur Strecke zu bringen, dann macht Euch auf das Schlimmste gefasst."

    Wenn demokratisch gewählten Regierungen wie der seinen die Luft abgeschnürt werde und die Wähler in die Verzweiflung gestürzt würden, "dann profitieren davon nur die Fanatiker, die Rassisten, die Nationalisten und all diejenigen, die von Angst und Hass leben", sagte Varoufakis.

    Er verglich die von den Gläubigern abverlangten Haushaltskürzungen mit der Medizin des Mittelalters: "Damals wurden Aderlasse verschrieben, die die Kranken oft noch kranker machten, worauf sie erneut zur Ader gelassen wurden."..."

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  5. "Vor allem hat das kollektive Vorstellungsvermögen vieler kluger Leute dabei versagt, die Risiken des Systems insgesamt zu begreifen. Wir haben die große Spekulationsblase für die Schöne Neue Welt gehalten !"

    Kernaussage eines Briefes von 35 britischen (? sogenannter ?) Spitzenökonomen an die Queen, 2009

    Es war ein nebulöser Glauben an die Macht des Finanzsektors, an der Börse "risikoloses Risiko" zu erzeugen, indem Darlehen geschaffen wurden, die Verschuldung in kleine Stücke aufgeteilt und zu Paketen zusammengeschnürt, die unterschiedlich große Risiken enthielten und dann weltweit verkauft wurden.
    Dies alles kulminierte dann noch in der Ansicht man könne auch noch wetten auf diese Schulden !!!

    Banken wie die Royal Bank of Scotland, welche alleine schon 4000 !!! sogenannter "Risikomanager" beschäftigte, versanken in einem schwarzen Loch von Risiken, die schiefgegangen waren !

    Käufer verließen sich auf externe, institutionelle Informationen und wohl definierte Regeln, die eigens dafür aufgestellt worden sind und von unbestechlichen Behörden überwacht wurden.
    Diese Rolle spielten - vermeintlich - die Ratingagenturen und staatlichen Regulierungsbehörden. Beide Behörden versagten nicht nur, sondern handelten SCHULDHAFT !!!

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  6. Mit dem „globalen Minotaurus“ bezieht sich Varoufakis auf eine Gestalt der griechischen Mythologie mit menschlichem Körper und Stierkopf, die regelmäßig Menschenopfer verlangt. Damit meint er die Wirtschaft der USA, die seit dem 2. Weltkrieg auf Kosten der übrigen Welt lebe. Er hätte das Buch auch „der globale Staubsauger“ nennen können, scherzte er, aber das hätte zu harmlos geklungen.

    Das Buch ist in neun Kapitel gegliedert. Nach einer Einführung und einem Schnelldurchgang durch die Wirtschaftsgeschichte der Menschheit kommt er auf den „großen Plan“ der USA, nach dem 2. Weltkrieg den Dollar als Weltwährung zu etablieren (System fester Wechselkurse von Bretton Woods). Der Autor erklärt, dass dieses Prinzip über Jahrzehnte ebenso erfolgreich war wie der „New Deal“ von Franklin D. Roosevelt davor.

    In Bretton Woods „machte John Maynard Keynes den kühnsten Vorschlag, der jemals auf dem Verhandlungstisch einer großen internationalen Konferenz landete: Er schlug vor, eine Internationale Clearing- Union (ICU) zu schaffen und eine gemeinsame Währung (für die er auch einen Namen hatte: Bancor)… Doch wenn diese Wirtschaftsregionen durch eine Währung miteinander verbunden sind (wie in den Vereinigten Staaten oder in der Eurozone), ist etwas anderes erforderlich, um die Spannungen durch unausgeglichene Handels- und Kapitalflüsse abzubauen – ein Mechanismus, der die Überschüsse aus den Überschussregionen (zum Beispiel London oder Kalifornien) in die Defizitregionen (zum Beispiel Wales oder Delaware) umleitet… Ohne einen effektiven Mechanismus zum Überschussrecycling ist eine Währungsunion tektonischen Beben ausgesetzt, die schließlich große Risse erzeugen, bis die Union zerbricht.“ (Zitate ab Pos. 1074 aus dem Buch)

    Yanis Varoufakis meint, es sei ein Geburtsfehler des Systems von Bretton Woods gewesen, den Rat von Keynes zu ignorieren. Dies sei im Interesse der USA gewesen, die von den einseitigen Handelsbeziehungen und der Orientierung am Dollar profitierten, allerdings auf Kosten der Stabilität. Durch den Vietnamkrieg konnten sich die USA die Gold-Fixierung des Dollar nicht mehr leisten, sodass der „große Plan“ 1971 enden musste.

    Nun entstand das, was der Autor den „globalen Minotaurus“ nennt: „Da Amerika einigermaßen ausgeglichene internationale Finanz- und Handelsströme nicht mehr aufrechterhalten konnte, plante es für eine Welt, in der die Asymmetrie der Finanz- und Handelsströme rasch zunehmen würde. Und das nur mit einem Ziel: um weiter das »exorbitante Privileg« unbegrenzter Defizite genießen zu können und so die Fortdauer der Hegemonie der Vereinigten Staaten abzusichern – nicht trotz, sondern aufgrund ihrer Defizite.“ (Zitat Pos. 1760)

    In den weiteren Kapiteln geht der Autor auf „die Helfer des Untiers“ ein, den „Crash“ von 2008, „die Helfer schlagen zurück“ und „die weltweite Hinterlassenschaft“. Das weltweite Bankensystem mit seiner Schuldenspirale und Staaten, die kaputte Banken mit Steuergeldern retten, hält er für einen Irrsinn. Deutschland spiele in der EU eine ähnliche Rolle wie die USA in der Welt, eine Art Mini-Minotaurus.

    Zur Gegenwart meint Varoufakis, der Minotaurus sei zwar schwer krank, aber keineswegs tot. Wir bräuchten ein neues Weltwirtschaftssystem. Auch China als aufstrebende Macht könne die USA des 20. Jahrhunderts nicht ersetzen. Er zitiert den „in Ungnade gefallenen“ Dominique Strauss-Kahn mit den Worten „Keynes hat vor sechzig Jahren bereits vorausgesehen, was gebraucht wurde… Heute ist die Zeit reif, es zu tun.“

    Das Buch erklärt ein Jahrhundert Wirtschaftsgeschichte einigermaßen verständlich. Statt verwirrender Einzelheiten hat der Autor immer die Zusammenhänge im Blick. Er bezieht sich gleichermaßen auf Karl Marx und Rosa Luxemburg wie auf J. M. Keynes, J. Galbraith, J. Schumpeter und G. Soros. Dies ist das spannendste Buch, das ich über Volkswirtschaftslehre im 20. Jahrhundert gelesen habe. Es ist eine gute Ergänzung zu Thomas Pikettys Das Kapital im 21. Jahrhundert. Pflichtlektüre für alle, die die Probleme der Weltwirtschaft und speziell der EU verstehen wollen.
    Von Oliver Völckers

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