Montag, 18. August 2014

Karl Polanyi; Chronik der großen Transformation, Band 1






Karl Polanyi; Chronik der großen Transformation.
Artikel und Aufsätze (1920-1945)
Band 1: Wirtschaftliche Transformation, Gegenbewegung und der Kampf um die Demokratie
Herausgegeben und eingeleitet von Michele Cangiani und Claus Thomasberger

Das Leben und Wirken von Karl Polanyi fiel in eine Zeit und Umgebung, die mit ihren einschneidenden Ereignissen einen großen Einfluss auf seine wissenschaftliche Arbeit und sein Leben hatten. Nach seiner Geburt in Wien studierte er in Budapest Jura und Philosophie. Er stammte aus einem intellektuellen und bürgerlichen familiären Umfeld, in dem seine Geschwister und er schon früh von der Mutter sozialistisch geprägt wurden.

An der Universität engagierte er sich in linken Studentengruppen und war aktiv an der sozialistischen Bildung von Arbeitern beteiligt. Ende des Ersten Weltkrieges zog er aus politischen Gründen nach Wien um und arbeitete dort als Redakteur in der Zeitschrift „Der Österreichische Volkswirt“ und der deutschen Ausgabe: „Der Deutsche Volkswirt“. Er lebte mit seiner Familie unter ärmlichen Bedingungen, da er sein Gehalt an die zahlreichen Flüchtlinge spendete. Die Weltwirtschaftskrise erlebte er in der Pleite der Österreichischen Creditanstalt in Wien, die Ausgangspunkt der europäischen Bankenkrise wurde. Als Jude verließ er Österreich 1933, nachdem er seine Anstellung verloren hatte und die faschistischen Tendenzen deutlich zugenommen hatten. Er emigrierte nach Großbritannien, wo er vor allem in der Arbeiterbildung tätig wurde.

1940 kam er in die USA, um mit einem zweijährigen Stipendium der Rockefeller-Stiftung von 1941 bis 1943 The Great Transformation fertigzustellen. Im Jahre 1947 berief ihn die Columbia University auf eine Gastprofessur, die er bis 1953 wahrnahm. Bis 1958 leitete er gemeinsam mit Conrad M. Arensberg ein Forschungsprojekt über wirtschaftliche Aspekte von Institutionen. Es entstand Trade and Market in the Early Empires. Danach arbeitete er auf dem Feld der Anthropologie. Er starb 1964 in Kanada, wo er sich aufhielt, weil seine Frau als bekennende Sozialistin und ehemalige Teilnehmerin der ungarischen Sowjetrepublik (1949) kein Visum für die USA erhalten hatte. Sein letztes Werk Dahomey and the Slave Trade erschien posthum 1966.


In den letzten Jahren wächst das Interesse an den Arbeiten, die Karl Polanyi zwischen 1920 und 1945 verfasste und die - mit wenigen Ausnahmen - bisher nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Die in Wien und in England geschriebenen Artikel, Aufsätze und Manuskripte sind nicht nur das Ergebnis intensiver Studien während der zentralen Jahre des Lebens des Autors, sie machen auch den Hauptteil seines Werkes aus.

Polanyi analysiert in diesen Arbeiten eine für die Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts entscheidende Periode. Die Schriften behandeln nicht nur die zentralen Problem- und Fragestellungen, deren Resultate, ohne erneut explizit aufgegriffen zu werden, in seinem 1944 publizierten Hauptwerk, The Great Transformation, einfließen, und geben damit Einblick in die Gedankengänge, Ideen und Überlegungen, aus denen jene hervorgegangen sind. Sie sind auch (und vor allen Dingen) wichtige Zeitdokumente, bedeutsam als direkte und unmittelbare Reflexionen über die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der Zwischenkriegsphase.

Polanyi analysiert mit großer Sorgfalt sowohl die wirtschaftlichen wie auch die politischen Ereignisse, die Weltwirtschaftskrise wie die internationale politische Lage, die Versuche, die Bedingungen für Frieden und Aufschwung herzustellen, wie die Konflikte, die in Richtung eines neuen Weltkriegs weisen.
Zu den Themen der hauptsächlich für en Österreichischen Volkswirt verfassten Artikel gehören die industrielle Restrukturierung, die korporativen Tendenzen, der Aufstieg des Faschismus sowie die Transformation der ökonomischen und politischen Institutionen in Großbritannien und in den USA während der Periode des New Deal. Diese werden ergänzt durch Arbeiten über grundsätzliche Themen wie Preisbildung, ökonomische Theorie, Soziologie und Theorie des Sozialismus. Allen Untersuchungen unterliegt eine einheitliche, theoretisch und politisch grundlegende Fragestellung: Wie können - nach dem Zusammenbruch des liberalen Systems des 19. Jahrhunderts wie der sozialistischen Hoffnungen der zwanziger Jahre - Demokratie und Freiheit verteidigt und ausgebaut werden?
Die wichtigsten Artikel, Aufsätze und Manuskripte, die in der Periode zwischen 1920 und 1945 entstanden sind, werden nach inhaltlichen Schwerpunkten in drei Bände gruppiert. Band I, der die Überschrift ‚Wirtschaftliche Transformation, Gegenbewegungen und der Kampf um die Demokratie‘ trägt, enthält die Analysen zu den Themenbereichen Wirtschaft, Weltwirtschaftskrise und Wirtschaftspolitik. 

Gegenstand von Band II ist ‚Die internationale Politik zwischen den beiden Weltkriegen‘.
Band III, in dem wir die theoretischen Arbeiten zur den Fragen Preisbildung, sozialistische Wirtschaftsrechnung, Marxismus, soziologische Theorie, Sozialismus und Demokratie u.a. zusammengefasst haben, steht unter der Überschrift ‚Freiheit, Demokratie und Sozialismus‘.


Inhalt
Michele Cangiani und Claus Thomasberger
Vorbemerkung 9
Marktgesellschaft und Demokratie: die Perspektive der
menschlichen Freiheit. Karl Polanyis Arbeiten von 1920 bis 1945 11
I. Politische Kämpfe in den zwanziger Jahren
1. England und die Wahlen 46
2. Zur Krise der englischen Arbeiterbewegung 51
3. Die neue Internationale 56
4. Das Bergbauproblem in England 63
5. Der englische Generalstreik 72
6. Probleme des englischen Generalstreiks 80
II. Liberale Reformprojekte
7. Liberale Wirtschaftsreformen in England 90
8. Liberale Sozialreformer in England 95
9. Schmalenbach und Liberalismus 104
III. Die Weltwirtschaftskrise
10. Zur wirtschaftlichen Neuordnung Europas 110
11. Demokratie und Währung in England 120
12. MacDonald und die Wirtschaftspolitik 129
13. England auf der Waage 134
14. Kritik an Lausanne 142
15. Wirtschaft und Demokratie 149
16. Weltinflationismus 155
17. Von Lausanne bis Washington 163
18. Brain-Trust siegt 170
19. Roosevelt zerschlägt die Konferenz 178
IV. Der Zusammenbruch der Demokratie
in Deutschland und in Europa
20. Gegenrevolution 186
21. Staatsgründung 193
22. Hitler und die Wirtschaft 199
23. Korporatives Österreich - eine funktionale Gesellschaft? 204
V. Restrukturierung und Demokratie in England
24. Wirtschaftsprogramm der Samuel-Liberalen 214
25. Ende der Slums 216
26. Englisches Stahlstatut 218
27. Technologische Arbeitslosigkeit 220
28. Elliot oder Empire ? 223
29. Probleme der Demokratie in England 226
30. Lohntarif-Bill in Lancashire 228
31. Lancashire im Fegefeuer 230
32. Lancashire als Menschheitsfrage 236
33. England überlegt 249
34. Labour und die Eisenindustrie 251
35. Gewerkschaftstagung in Weymouth 253
36. Labour in Southport 256
37. Tory-Planwirtschafter 259
38. Die Liberalen für Empirehandel 261
VI. New Deal
39. Roosevelt im Verfassungskampf 264
40. Amerika im Schmelztiegel 271
41. Roosevelt im Kampf 279
42. T.V.A. - Ein amerikanisches Wirtschaftsexperiment 281
43. Arbeitsrecht in U.S.A. 290
44. Amerikanisches Gewerkschaftsgesetz verfassungsmäßig 291
45. Roosevelts strategischer Rückzug 293
46. Gewerkschaften in den U.S.A. 295
VII. Die Entwicklung in der Sowjetunion
47. Zweiter Fünfjahresplan abgebremst 298
48. Wo hält Sowjetrußland? 308
49. Russischer Verfassungswandel 316

2 Kommentare:

  1. Kritische Transformationsforschung - Neue PublikationsReihe

    Mit den Beiträgen zur kritischen Transformationsforschung hat das Institut für Gesellschaftsanalyse eine
    neue Reihe ins Leben gerufen, die jene strategischen Diskussionen ergänzen wird, die auch in der LuXemburg
    geführt werden.

    Ziel ist es, Ansätze sozialistischer Transformation aus der internationalen und deutschen Diskussion zu bündeln und weiterzuentwickeln. Platz finden Beiträge zu Theorie und Geschichte linken transformatorischen Denkens, zu methodologischen Fragen solidarisch eingreifender Transformationsforschung,

    Analysen konkreter Projekte sozialökologischen Umbaus und strategische Fragen transformatorischer Politik sowie kritische Diskussionen vorliegender Ansätze. Im Februar 2015 erschien Band 1, in dem Michael Brie in das Werk des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers Karl Polanyi (1886–1964) einführt und Möglichkeiten des Dialogs zwischen diesem und der US-amerikanischen Feministin Nancy Fraser skizziert.

    Leseprobe
    www.vsa-verlag.de-Brie-Polanyi-neu-entdecken.pdf

    AntwortenLöschen
  2. oder auf:

    Polanyi neu entdecken:
    Das hellblaue Bändchen zu einem möglichen Dialog von Nancy Fraser und Karl Polanyi
    Broschiert – Februar 2015 von Michael Brie (Autor), Karl Polanyi (Mitarbeiter), Kari Polanyi-Levitt (Mitarbeiter)

    http://bilgungwissen.blogspot.com/2015/04/polanyi-neu-entdecken.html

    AntwortenLöschen