Mittwoch, 18. März 2015

Handbuch Gewaltprävention





Handbuch Gewaltprävention II:
Für die Sekundarstufen und die Arbeit mit Jugendlichen.
Grundlagen - Lernfelder - Handlungsmöglichkeiten.

Gebundene Ausgabe – von Günther Gugel  (Autor)

Gewaltprävention arbeitet an den Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Sie darf sich nicht in einem „gegen Gewalt“ erschöpfen, sondern muss positive Handlungs- und Lebensperspektiven eröffnen, die Gewalt überflüssig machen.

Dieses Handbuch hat primär den Bereich der Erziehung und Bildung im Blick. Dennoch weist es permanent auf die Notwendigkeit hin auch die institutionellen und gesellschaftlichen Verhältnisse einzubeziehen.
Die Inhalte knüpfen an wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnisse über wirksame Gewaltprävention an und bereiten diese für die pädagogische Praxis auf.

In 19 Kapiteln werden die zentralen Aspekte von Gewaltprävention aufgegriffen und für den Einsatz in Schule und Jugendarbeit aufbereitet. Der erste Teil führt in den Diskussionsstand der Grundlagen und Grundfragen der Gewaltprävention ein. Dabei wird insbesondere auf Jugendgewalt und Gewalt in der Schule eingegangen.
Als zentrale Lernfelder werden die Bereiche Kommunikation, konstruktive Konfliktbearbeitung, Demokratie und Werteerziehung, interkulturelles Lernen, Sport und Medien thematisiert.

Die Rolle der Eltern, des kommunalen Umfelds sowie der Entwicklung der Schule im Prozess der Gewaltprävention werden in eigenen Kapiteln untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt sind Handlungsmöglichkeiten in Gewaltsituationen. Hierzu gehören die Bereiche Zivilcourage, Mobbing, rechtsextremistische Gewalt sowie Amoklauf an Schulen. Jedes Kapitel enthält eine Einführung in den Diskussionsstand des jeweiligen Themenbereiches. Daran knüpfen Überlegungen für die Umsetzung in der Praxis an.

Spezifische Materialien für Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler sind für den direkten Einsatz bestimmt. Ein Handbuch, das einen umfassenden Zugang zu Theorie und Praxis der Gewaltprävention bietet.


Das neue "Handbuch der Gewaltprävention"Nach dem ersten Band von 2008, der das Thema für Grundschulen aufbereitet, widmet sich der Leiter des Tübinger Instituts für Friedenspädagogik nun der Arbeit mit Jugendlichen, wiederum (hauptsächlich) an Schulen, diesmal also an den Sekundarstufen.Um es gleich vorweg zu nehmen, das neue Buch des Spezialisten für das Thema „Gewalt an Schulen“ ist ein großer Wurf. Es gelingt Gugel, das Niveau des aktuellen Forschungsstands mit sehr guter Lesbarkeit und hoher praktischer Brauchbarkeit zu verbinden.

Eine nicht unerhebliche Rolle spielt dabei die sehr gelungene (typo)graphische Gestaltung. Übersichtliche, auch optisch gut strukturierte Texte werden durchgehend ergänzt durch Informationskästen, ansprechende Grafiken und eine Vielzahl von unaufdringlichen, das Thema bereichernden Bildern. Die dezente Farbigkeit und gut bemessene Randgebung tun ein Übriges. Solide gebunden ist der fast zwei Kilo schwere Band auch – es macht Spaß, in diesem Buch zu lesen.

Entscheidend ist aber natürlich der Inhalt, und hier vermag das Werk erst recht zu überzeugen. Diese Veröffentlichung ist eine echte Schatzkammer. Zwanzig Kapitel, gegliedert in vier Schwerpunkte mit hunderten von Materialseiten, decken den Themenbereich ab. Dabei widmen sie sich auch Aspekten, die ich nicht unbedingt erwartet hätte, die aber im Kontext „Gewalt“ unmittelbar einleuchten, wie „Demokratie und Werteerziehung“, „Interkulturelles Lernen“ und „Rechtsextremismus“, die jeweils ein eigenes Kapitel erhalten. Natürlich fehlt das Erwartete nicht, Kapitel z.B. zu Kommunikation, gewaltfreien Schul- und Unterrichtsstrukturen oder Konfliktbearbeitung. Einen eigenen Schwerpunkt bildet das „Handeln in Problem- und Gewaltsituationen“, zu dem unter anderem die Kapitel „Zivilcourage Lernen“, „Verhalten in akuten Gewaltsituationen“, „Mobbing“ und „Amoklauf an Schulen“ gehören. Dieser Schwerpunkt thematisiert mit dem Einbezug der Eskalations- und der anschließenden Deeskalationsphase von Konflikten auch Prävention im weiteren Sinne (Sekundär- und Tertiärprävention).

Der Umgang mit der großen Stofffülle wird erleichtert durch eine klare und sinnvolle Struktur. Jedes Kapitel enthält nach einem Problemaufriss eine gründliche Einführung in die zentralen Fragestellungen, oft angereichert mit einer kurzen Vorstellung der wichtigsten aktuellen Forschungsergebnisse. Es folgt jeweils ein Materialteil mit in der Regel 15-20 Kopiervorlagen. Dabei handelt es sich überwiegend um direkt einsetzbare Arbeitsblätter mit konkreten Bearbeitungsaufträgen, es ist jedoch in den meisten Fällen sinnvoll, den Informationsteil des Kapitels zu kennen. Daneben finden sich – vor allem für die Arbeit im Kollegium oder mit Eltern – auch reine Informationstexte. Besonders interessant sind gelegentliche Originaltexte wie der offene Brief der Lehrer der Berliner Rütli-Schule, der 2006 durch die Presse ging, oder ein Zeitungsartikel mit Forderungen der Opferfamilien von Winnenden nach schulpolitischen Konsequenzen aus dem Amoklauf.

Die Materialien zeichnen sich durch ihre überlegte Auswahl und hohe Brauchbarkeit aus. Statt der in kommerziellen Ratgebern oft anzutreffenden oberflächlichen Abdeckung möglichst vieler der vom Käufer vermeintlich erwarteten Aspekte zeigt sich hier die Sachkompetenz einer pädagogischen Forschungseinrichtung.

Sehr fruchtbar scheint mir der weite Horizont, der dem Handbuch zugrunde liegt. Es richtet sein Augenmerk nicht allein auf die einzelnen Gewaltphänomene, sondern bezieht soziale, schulische und gesamtgesellschaftliche Verhältnisse mit ein. Anstelle fruchtloser Klagen über eine von Gewalt geprägte Welt und ihre Wirkung auf junge Menschen gelingt es Gugel jedoch, auch diese Faktoren zur Konzeption klar umrissener und in den jeweiligen Materialien handhabbar operationalisierter Unterrichtsthemen zu nutzen. Dabei wird offenkundig, dass das Phänomen Jugendgewalt von den kleineren und größeren sozialen Einheiten, in denen der einzelne sich bewegt, nicht zu trennen ist. So wird z.B. Prävention, die sich auf Verhalten in Gewaltsituationen oder bei Mobbing konzentriert, ihr Ziel nicht im gewünschten Maß erreichen, wenn sie andererseits Demokratie- und Werteerziehung oder (in vielen Fällen) interkulturelles Lernen ausblendet.

Das Literaturverzeichnis eines solchen Werks könnte bei der Vielzahl angesprochener Themen leicht ins Unüberschaubare wuchern. Auch hier jedoch bleibt Gugel sich treu und bietet eine sinnvoll reduzierte, wenngleich immer noch umfängliche Auswahl, die eine gründlichere Beschäftigung mit Teilaspekten der angesprochenen Komplexe ermöglicht. Neben einigen wenigen Klassikern wie Thoreau, Fromm oder Galtung finden sich hier vor allem viele Aufsätze, in denen Ergebnisse neuerer empirischer Untersuchungen referiert und ihre Konsequenzen diskutiert werden. Eine zweiseitige Linkliste mit Internetadressen von Aktion Tu-was! Für mehr Zivilcourage bis Weltgesundheitsorganisation zu Gewalt und Gewaltprävention komplettiert die Literaturhinweise.

Alles in allem hat Gugel so etwas wie die Quadratur des Kreises geschafft, und der Nutzen des Bands für die Präventionsarbeit an weiterführenden Schulen ist kaum zu überschätzen. Man braucht kein Prophet zu sein um vorherzusagen, dass hier ein Standardwerk entstanden ist, das noch viele Auflagen erleben wird.

23 Kommentare:

  1. Von K_K

    Dieses Buch ist detailliert beschrieben, beleuchtet interessant verschiedene Themenfelder der Gewaltprävention. Sowohl theoretische Hintergründe als auch praktische Tipps und Übungen werden vorgestellt. Es ist sowohl wissenschaftlich erarbeitet, als aber auch gut zu lesen.

    Insgesamt ein sehr zu empfehlendes Werk!

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  2. Kapitel 1.1: Vorwort, Geleitwort, Der Ansatz im Überblick

    Gewaltprävention umfasst im schulischen Kontext deshalb vier zentrale Bereiche:
    • Die Verbesserung der sozialen Schulqualität.
    • Die Etablierung und Verdeutlichung von Regeln und Normen des Zusammenlebens.
    • Der Umgang mit Konflikten und damit verbunden der Aufbau eines schulischen Konfliktmanagementsystems.
    • Das Handeln in akuten Gewaltsituationen.

    Für den gesellschaftlichen Kontext reicht dies jedoch nicht aus. Hier müssen neben pädagogischen auch gesellschaftspolitische Gesichtspunkte und Initiativen hinzu kommen. Hierzu gehören u.a. die Förderung einer kinder- und jugendfreundlichen Umwelt, die Unterstützung von Familien bei der Erziehung von Kindern sowie das Angebot von Zukunftschancen für junge Menschen, damit diese ihren Platz in der Gesellschaft finden und das Gefühl „gebraucht zu werden“ entwickeln können.

    Für den gesellschaftlichen Kontext reicht dies jedoch nicht aus. Hier müssen neben pädagogischen auch gesellschaftspolitische Gesichtspunkte und Initiativen hinzu kommen. Hierzu gehören u.a. die Förderung einer kinder- und jugendfreundlichen Umwelt, die Unterstützung von Familien bei der Erziehung von Kindern sowie das Angebot von Zukunftschancen für junge Menschen, damit diese ihren Platz in der Gesellschaft finden und das Gefühl „gebraucht zu werden“ entwickeln können.

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  3. Kapitel 1.2: Grundlagen der Gewaltprävention

    Gewaltprävention fußt auf der Überzeugung, den Erfahrungen und Erkenntnissen, dass es Handlungsmöglichkeiten gegen Gewalt gibt, die der Anwendung von Gewalt vorbeugen. Prävention bedeutet, durch Vorbeugen spätere Kosten zu sparen, bzw. Schlimmeres zu verhindern. Dies will auch Gewaltprävention: durch rechtzeitiges Handeln Gewalt verhindern. Über diese allgemeine Aussage hinaus gibt es jedoch keine gemeinsam anerkannte Definition, was unter Gewaltprävention zu verstehen ist und wie Vorbeugung zu geschehen habe, obwohl der Begriff ständig in vielfältigen Zusammenhängen verwendet wird.

    Der Hinweis, Gewaltprävention zu betreiben, dient der Handlungslegitimation (im Dienste der öffentlichen Sicherheit), der Forderung nach Mitteln (hier ist finanzielle Förderung dringend geboten) und der Produktion von Konsens (wir sind doch alle für Gewaltprävention).

    Geklärt sind jedoch weder der Gegenstandsbereich noch die genauen Ziele und Methoden, die mit Gewaltprävention gemeint sind. Gewaltprävention, wie sie oft diskutiert wird, bezieht sich vor allem auf die Verhaltensbeeinflussung von Personen. Sie orientiert sich vorwiegend an Normübertretungen Jugendlicher und ist – zumindest im Kontext westlicher Industrieländer – vor allem auf das Phänomen Jugendkriminalität ausgerichtet.

    Der Begriff muss aber neben dieser individuellen Dimension, die Verhalten im Blick hat, auch eine strukturelle und institutionelle Dimension erhalten, die die Verhältnisse, die dieses Verhalten (mit-)bedingen, berücksichtigt und darüber hinaus auch eine kulturell- gesellschaftliche Dimension, die Legitimationsebenen dieser Verhältnisse einbezieht.

    In den letzten Jahren hat sich die Verwendung des Begriffs Gewaltprävention geradezu inflationär ausgeweitet, mit er Gefahr einer Entgrenzung der Gewalt- und Präventionsbegriffe. Deshalb ist es wichtig, von einem kinder- und jugendspezifischen Verständnis von Gewalt und einem engen Verständnis von Gewaltprävention auszugehen, das die Reduzierung und die Verhinderung von Gewalt zum Ziel hat
    (Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalprävention 2007; Steffen 2007, S. 208).

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  4. Kapitel 2.1 - Gewalt

    Gewalt ist ein kulturelles Phänomen, das die Menschheit auf ihrem Weg begleitet. Gewaltprävention ist davon abhängig, was unter Gewalt verstanden wird und wo die Ursachen von Gewalt gesehen werden. Im Kontext von Gewaltprävention wird Gewalt häufig als physische Gewalt verstanden. Alltagsvorstellungen von Gewalt haben in der Regel eher beschreibenden Charakter. Solche Vorstellungen spiegeln sich auch bei Umfragen wider, z.B. wenn gefragt wird: „Ist diese Handlung für dich Gewalt?“ Abgesehen davon, dass bei solchen Fragen weder die Motive, noch die Ziele oder Folgen des Handelns einbezogen werden, wird schnell klar: Gewalt kann nur kontextgebunden verstanden werden.

    Die Schwierigkeiten einer Begriffsbestimmung

    Gewalt ist ein Phänomen, das nicht klar definiert und abgegrenzt ist, weder in der Wissenschaft, noch im Alltag. In der öffentlichen Diskussion werden oft verschiedene Dinge gleichzeitig als Gewalt bezeichnet: Beschimpfungen, Beleidigungen, Mobbing, Gewaltkriminalität (Raub- und Morddelikte), Vandalismus, gewalttätige Ausschreitungen bei Massenveranstaltungen, fremdenfeindliche Gewalt gegen Menschen, Gewalt zwischen „Streetgangs“ (Bandenkriege), politisch motivierte Gewalt – von Befreiungsbewegungen oder staatlichen Sicherheitskräften bis zu militärischen Operationen.

    Der Begriff Gewalt ist jedoch nicht nur schwer zu fassen, unscharf und unpräzise, er hat darüber hinaus auch (zumindest im deutschen Sprachraum) verschiedene Bedeutungsinhalte: Er ist eine Bezeichnung für Staatsgewalt und deren Träger, benennt Verfügungs- und Besitzverhältnisse und stellt eine Kennzeichnung für Gewaltanwendung als physische Verletzung und Zwangseinwirkung auf Personen dar (vgl. Imbusch 2002, S. 26 ff.).

    Im englischen Sprachgebrauch wird dagegen klar unterschieden zwischen „Power“ als neutrale Fähigkeit etwas zu tun, bzw. Etwas zu bewirken und „Violence“, als problematische Ausübung physischer Stärke mit dem Ziel, Personen zu verletzen oder Sachen zu schädigen. Je nachdem, ob ein enger oder weiter Gewaltbegriff verwendet wird, lässt sich eine Gesellschaft (oder eine Organisation) als „eher gewaltarm“ oder als „eher gewalthaltig/gewalttätig“ klassifizieren. Abhängig davon, ob die Ursachen und Bedingungen von Gewalt eher beim Individuum oder in gesellschaftlichen Lebenslagen gesehen werden, werden unterschiedliche Verantwortlichkeiten angesprochen.

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  5. Kapitel 2.2: Gewalt an Schulen

    Dieses Kapitel klärt, was unter Gewalt an Schulen zu verstehen ist, welche Erkenntnisse über Ausmaß und Schwere der Gewaltvorfälle verfügbar sind, sowie welche Ursachen und Risikofaktoren als relevant zu betrachten sind.
    Dabei wird neben der von Schülerinnen und Schülern ausgehenden Gewalt auch die der Lehrkräfte und des Schulsystems beleuchtet.

    Gewalt in der Schule stellt in allen Ländern ein Problem dar. Gewalt an Schulen wird häufig mit Gewalt von Schülern gleichgesetzt. Diese ist jedoch nur ein Aspekt.
    Melzer u.a. (2004, S. 86) weisen darauf hin, dass z.B. die deutsche Debatte um Schulgewalt in den 70er Jahren unter dem Aspekt von Schule als Ort von struktureller Gewalt geführt wurde.

    Schülergewalt wurde hier als Reaktion auf strukturelle Gewalt interpretiert, während es kennzeichnend für die neuere Diskussion (seit Anfang der 1990er Jahre) um Schule und Gewalt ist, dass der Fokus und die dominante Forschungsperspektive sich nahezu ausschließlich auf Schülergewalt richtet, während andere Schulangehörige (Lehrkräfte) als Täter fast überhaupt nicht vorkommen.
    Die Diskussion um Gewalt an Schulen muss jedoch alle Formen von Gewalt einbeziehen (vgl. Schäfer/Korn o.J.).

    Schülergewalt wird von Klewin u.a. (2002, S. 1078 f.) in drei Verhaltensgruppen unterteilt:
    • Körperlicher Zwang und physische Schädigung: Im Rahmen von Auseinandersetzungen und Konflikten wird körperliche Gewalt angewendet, um den anderen zu schädigen.
    • Verbale Attacke und psychische Schädigung: Beleidigungen, Erniedrigungen, emotionale Erpressungen.
    • Bullying: In einer spezifischen Opfer-Täter-Beziehung wird das Opfer dauerhaft gequält und drangsaliert, wobei körperliche und psychische Gewalt angewendet wird. Häufig werden keine klaren Grenzen zwischen Gewalt und deviantem Verhalten (Diebstahl, Drogenkonsum, Schwänzen, Mogeln usw. ) gezogen.
    Hanke (2007, S. 105) stellt sowohl in wissenschaftlichen Analysen, wie auch in alltagspraktischen Handreichungen einen gemeinsamen operationalen Konsens darüber fest, was heute als Gewalt an Schulen zu bezeichnen ist:
    • verbale Gewaltformen wie Beleidigungen, Beschimpfungen und Hänseleien;
    • die traditionell als Gewalt definierte körperliche Gewalt, wie Schlagen, Treten oder Raufen;
    • die immer häufiger vorkommende psychische Gewalt, wie jemanden fertig machen, jemanden ausschließen oder Mobbing sowie
    • das Zerstören, Beschädigen oder Klauen von persönlichen Gegenständen und Schuleinrichtung, bekannt auch als Vandalismus.
    Ausgeklammert sind meist spezielle Formen wie sexuelle, rassistische oder radikale Gewalt; auch der Aspekt der strukturellen Gewalt findet nur sehr selten Berücksichtigung.

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  6. Kapitel 2.3: Jugendliche in Krisensituationen

    Konflikt- und Krisensituation gehören zu den Zumutungen des menschlichen Lebens und sind oft mit sogenannten Schwellensituationen verbunden, d.h. mit Übergängen vom Kind zum Jugendlichen, vom Jugendlichen zum Erwachsenen, von Schule zum Beruf oder aber auch mit plötzlichen eher schicksalhaften Ereignissen wie schweren Krankheiten, Unfällen oder Tod in der Familie. Krisensituationen sind existentielle Konflikte, die subjektiv als äußerst belastend erlebt werden.

    Die meisten Kinder und Jugendlichen sind davon betroffen und die meisten können trotz allem erstaunlich gut damit umgehen. Doch nicht alle erleben Krisensituationen als Herausforderung und können sie bewältigen. Viele erleben sie auch als Überforderung, verbunden mit dem Gefühl der Ausweglosigkeit, und sind dringend auf Unterstützung und Hilfe angewiesen. Das Leben erscheint bei einer Zuspitzung der Krise oder mangelnder Bearbeitung und Unterstützung plötzlich ohne Sinn und Perspektive.

    Jugend ist heute äußerst vielschichtig und nicht als Einheit zu verstehen (vgl. Hafenecker 2008, S. 93). Sie beginnt mit ca. zwölf Jahren und geht oft bis Mitte zwanzig. Sie ist für die meisten Jugendlichen zu einer Zeit der Schul- und Ausbildung geworden und dadurch eine verschulte Zeit. Jugendliche werden biologisch und sozio-kulturell früh erwachsen, sind jedoch sozio-ökonomisch von den Eltern oder staatlichen Leistungen abhängig.

    Die Gleichaltrigengruppe ist die primäre Gesellungsform und hat zentrale Bedeutung für Entwicklung und Orientierung Jugendlicher. Medien und Jugendkultur sind heute leitende Sozialisationsfaktoren, denn
    Jugendwelt ist immer auch Medienwelt. Bildungsabschlüsse bedeuten für die heutige Jugend noch keinen Arbeitsplatz oder sichere Zukunftsperspektiven. Risiken und Unsicherheiten begleiten die Jugendzeit, denn die Jugendzeit ist lang.

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  7. Kapitel 2.4: Jugendgewalt

    Was ist Jugendgewalt?
    Jugendgewalt ist von Jugendlichen ausgeübte Gewalt. Im strafrechtlichen Sinne fallen die Täter dabei unter das Jugendstrafrecht, sind also zwischen 14 und 18 Jahre bzw. 21 Jahre alt. Psychologisch bzw. soziologisch wird die Jugendphase weiter gefasst, nämlich zwischen Pubertät und abgeschlossener sozialer Reifung. Jugendgewalt ist ein unspezifischer Sammelbegriff für viele verschiedene jugendspezifische Deliktformen, wobei in der öffentlichen Wahrnehmung die körperliche Gewalt dominiert.

    Hierzu gehören verbale Attacken, Sachbeschädigungen, Mobbing, Erpressungen, Raufereien, Körperverletzungen ebenso wie ausländerfeindliche Übergriffe, die in der Regel von Cliquen und Gruppen oder in deren Kontext ausgeübt werden. Gewalt bei Sportereignissen durch Hooligans und Ultras wird ebenso dazu gezählt wie Auseinandersetzungen zwischen Straßenbanden oder Straßenschlachten
    mit der Polizei an Maifeiertagen oder politischen Großereignissen.

    Jugendgewalt hat also viele Gesichter und muss sehr differenziert gesehen werden. Abzugrenzen ist Jugendgewalt von Jugendkriminalität. Jugendgewalt und Jugendkriminalität Jugendgewalt darf nicht verwechselt werden mit Jugendkriminalität. In der öffentlichen Diskussion werden häufig beide Begriffe und Phänomene synonym gebraucht. Dies ist jedoch falsch und bringt für Gewaltprävention Probleme mit sich.

    Kriminalität von Kindern und Jugendlichen (also das Übertreten von Gesetzen) ist in der überwiegenden Zahl aller Fälle Kleinstkriminalität mit sehr geringen materiellen Schäden. Kaufhausdiebstahl mit geringem Wert und Schwarzfahren stehen an ersten Stellen der Kriminalstatistik, weitere Deliktarten sind u.a. einfache Körperverletzungen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen (Sprayer), Konsum illegaler Drogen oder Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz (Raubkopien) (vgl. Maschke 2003, S. 19).

    Im Sinne der Jugendkriminalität kommen ca. 7-8 % der Jugendlichen mit dem Gesetz in Konflikt, tauchen also als Tatverdächtige auf. Dunkelfeldstudien zeigen, dass bestimmte Delikte, wie z.B. Kaufhausdiebstahl oder Schwarzfahren von nahezu allen Jugendlichen verübt werden, wenngleich sie auch nur selten ertappt werden. Jugendgewalt im Sinne von Gewaltkriminalität wird nur von einer kleinen Gruppe Jugendlicher ausgeübt.

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  8. Kapitel 2.5 : Gewaltprävention in der Schule

    Schule ist nicht nur ein Ort, an dem Gewalt stattfindet, sondern vor allem ein Lebensraum, der gestaltet werden kann und der Auswirkungen auf das Verhalten der dort tätigen Personen hat.
    Schule ermöglicht Bildungsabschlüsse und eröffnet dadurch immer auch Lebenschancen (oder auch nicht). Sie ist ein Ort, an dem das Zusammenleben Vieler beispielhaft demokratisch organisiert werden kann, und sie ist auch ein Ort, an dem „Gemeinschaft“ stattfinden kann, die über die Schule hinaus wirkt. Schule kann so als lebendiger sozialer Organismus gesehen und verstanden werden.

    Die Ansätze und Maßnahmen zum Umgang mit Gewalt und Gewaltprävention in der Schule, die sich in der schulischen Praxis finden lassen, sind unüberschaubar und vielfältig. Während für die Bereiche der Verbreitung und der Ursachen von Gewalt in der Schule zunehmend wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse vorliegen, wobei nach wie vor Langzeitstudien weitgehend fehlen, sind Maßnahmen und Projekte der Gewaltprävention immer noch kaum evaluiert. Die Diskussion bezieht sich deshalb in weiten Bereichen auf Annahmen und subjektive Schlussfolgerungen und weniger auf empirische Daten.

    In der Forschung hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur Ansätze, die mehrere Ebenen gleichzeitig berücksichtigen (sog. multimodale Ansätze) im Schulbereich sinnvoll sind und Wirkung haben und dass Gewaltprävention in der Schule in einen Prozess der Schulentwicklung eingebunden sein muss. Oberster Grundsatz für die Schule muss sein: „Gewalt hat in der Schule keinen Platz“, Schule muss ein sicherer Ort sein, an dem alle ohne Angst und Furcht leben und arbeiten können.
    Gewaltprävention setzt dabei eine Übereinkunft über den anzustrebenden Zustand und die unerwünschten Verhaltensweisen voraus. Dies ist deshalb wichtig, da das Instrumentarium einer falsch verstandenen Gewaltprävention auch zur Disziplinierung und Unterdrückung gebraucht werden kann.

    Gewaltpräventive Maßnahmen können entsprechend der grundlegenden Unterscheidung in primäre, sekundäre und tertiäre Gewaltprävention auch im schulischen Kontext diesen Bereichen zugeordnet werden, wobei die einzelnen Maßnahmen jeweils für unterschiedliche Schulstufen und unterschiedliche Problembereiche differenziert entwickelt und eingesetzt werden müssen.

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  9. Kapitel 3.1: Familie und Kommune

    Gewalt in der Familie

    Gewaltprävention in der Schule kann ohne Einbeziehung der und Rückbindung an die Familie und das kommunale Umfeld nicht gelingen. Denn „Gewaltprävention muss schon in der Familie beginnen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Kinder und Jugendliche Gewalt sozusagen erlernen. Wer als Kind gelernt hat, dass Konflikte mit Gewalt gelöst werden, tut dies vermehrt auch als Erwachsener.

    Um diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, haben wir in der vergangenen Legislaturperiode ein Recht des Kindes ‚auf gewaltfreie Erziehung‘ im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Es wurde klargestellt, dass Gewalt kein geeignetes Erziehungsmittel ist. Untersuchungen zeigen, dass die Häufigkeit körperlicher Bestrafungen in den letzten Jahren zurückgegangen ist“, so die Bundesjustizministerin Zypries (2003).

    Formen der Gewalt in der Familie

    Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet drei Formen von Gewalt in der Familie: Gewalt gegen Intimpartner, Kindesmissbrauch und Vernachlässigung durch Eltern und andere Fürsorgepersonen und Misshandlung alter Menschen (WHO 2003, S. 20).

    Gewalt gegen Intimpartner

    Diese Gewalt gibt es ohne Ausnahme in allen Ländern und Kulturen, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität. Ein Viertel aller Frauen in allen Ländern erfahren mindestens einmal in ihrem Leben physische Gewalt und mehr als ein Zehntel werden Opfer sexueller Gewalt.

    Die häufigsten Gewaltakte gegen Männer und Frauen geschehen in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld, meistens von ihren Partnern oder Ex-Partnern. 25 % der Frauen in Deutschland im Alter zwischen 16 und 85 Jahren haben eine Form der körperlichen und/oder sexuellen Gewalt durch einen Beziehungspartner erlebt (Der Paritätische 2008, S. 10; BMFSFJ 2004, S. 10; Gugel 2007, S. 148).

    Es sind verschiedene Faktoren, die bei Gewalt zwischen Intimpartnern zusammenwirken. Zu den individuellen Faktoren gehört insbesondere die Vorgeschichte des Mannes, vor allem ob er in seiner Herkunftsfamilie erlebt hat, dass seine Mutter geschlagen wurde. Aber auch Alkoholmissbrauch stellt sich in vielen Untersuchungen als ein wichtiger Faktor heraus. Auf der zwischenmenschlichen Ebene sind Beziehungskonflikte und Unstimmigkeiten sowie Einkommensschwäche wichtige Einflussfaktoren.

    Wie der genaue Zusammenhang zwischen niedrigem Einkommen und Gewaltrisiko ist, ist allerdings noch unklar. Es könnte sein, dass finanzielle Schwierigkeiten oft Anlass für eheliche Auseinandersetzungen bieten oder es Frauen schwerer machen, aus gewaltträchtigen oder unbefriedigenden Beziehungen auszubrechen. Gewalt könnte aber auch das Ergebnis anderer mit Armut einhergehenden Faktoren sein, beispielsweise durch beengte Wohnverhältnisse oder das Gefühl der Hoffnungslosigkeit ausgelöst werden.

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  10. Kapitel 3.2: Schulentwicklung: gute Schule - guter Unterricht

    Eine „gute Schule“ ist eine gewaltfreie Schule, die durch ein Klima der Achtsamkeit und des Respekts gekennzeichnet ist, in der alle Beteiligten mitwirken und mitentscheiden, die schülerzentrierten, motivierenden und interessanten Unterricht gestaltet, die weltoffen ist und sich zugleich auch als eine Schulgemeinschaft versteht.

    Eine „gute Schule“ realisiert selbstverständlich die Grundprinzipien der Gewaltprävention, fördert die Schwachen, integriert verschiedene Gruppen, bietet vielfältigen, differenzierten, selbstentdeckenden, handlungsorientierten Unterricht an.

    Viele Schulen haben sich nach dem „Pisa Schock“ in Deutschland in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, Schule so zu gestalten, dass ein Lernen, das Kindern und Jugendlichen Freude macht und begeistert, und nicht Belehrung im Zentrum steht.

    Dabei geht es nicht nur um einzelne Schulen, so wichtig es ist, dass diese ihren Spielraum nutzen und ausweiten, sondern auch um ein Überdenken der Struktur des Bildungssystems und der Bildungsinhalte, vor allem aber auch der Art zu lehren und zu lernen. Denn der „Bildung im Schulalter kommt eine Schlüsselrolle für die individuelle Entwicklung, für die gesellschaftliche Teilhabe und für die Vermittlung von Kompetenzen zu. Die zentrale Rolle der Schule findet nicht zuletzt ihren Niederschlag in der gesetzlich verankerten Schulpflicht“ (Arbeitsgruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 61).

    Deshalb muss auch das Schul- und Bildungssystem insgesamt überdacht werden: Wenn der Schulabschluss weniger vom „Können“ der Schülerinnen und Schüler abhängig ist als von der sozioökonomischen Lage der Herkunftsfamilie, sind Ungerechtigkeiten programmiert. Und wenn eine ganze Schulform wie die Hauptschule zu einer „Restschule“ verkommen ist, sind Änderungen angesagt. Denn der Bildungsabschluss entscheidet wesentlich über die zukünftigen Lebenschancen.

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  11. Kapitel 3.3: Kommunikation

    Kommunikation ist eine unbedingte Voraussetzung des Zusammenlebens und der menschlichen Entwicklung. Verstehen und Ver-standen werden als Ziel gelungener Kommunikation ist nicht einfach zu erreichen. Um richtig verstanden zu werden genügt es nicht, die richtigen Worte zu wählen. Neben der „logischen“ Aussage, muss auch die „psycho-logische“ stimmen. Diese wird durch vielerlei, die Worte begleitende oder ersetzende Körpersignale, ausgedrückt.

    Lehrkräfte und Eltern sind in diesem Prozess Vorbilder oder doch zumindest Modelle für gelungene oder misslungene Verständigungs-prozesse. Gewaltpräventionsforschung zeigt, dass die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung einen deutlichen Einfluss auf das Gewaltverhalten der Schülerinnen und Schüler hat.
    Restriktives und autoritär-disziplinierendes Lehrerverhalten bewirken eher ein gewaltförderndes Sozialklima (Melzer/Ehninger 2002, S.?44).

    Die öffentliche, vor der Klasse vorgenommene Etikettierung und Stigmatisierung einzelner Schüler reduziert deren Selbstwertgefühl, grenzt sie aus und befördert damit Gewalt (Fuchs 2009, S.48). Die Vermittlung von Kommunikationskompetenz (auf Schüler-, Lehrer-, und Elternseite) ist deshalb ein zentraler Bereich von Gewaltprävention.

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  12. Kapitel 3.4: Konstruktive Konfliktbearbeitung

    Konflikte, die nicht oder unzureichend bearbeitet werden, können das Zusammenleben und das Klima in der Schule und darüber hinaus nachhaltig beeinträchtigen. Destruktiv ausgetragene Konflikte verursachen nicht nur menschliches Leid, sondern auch hohe Kosten, da sie ein normales Unterrichtsgeschehen stören, zu starken Einschränkungen bis hin zu Krankheiten führen können und Arbeitskapazität binden.

    Konflikte sind immer auch Hinweise auf Probleme und Schwierigkeiten und zeigen auf, wo (persönliche, organisatorische und strukturelle) Entwicklungen notwendig sind.
    Konstruktive Konfliktbearbeitung leistet einen Beitrag zur Gewaltprävention, indem im Bereich der primären Prävention Basiskompetenzen eines anderen Umgangs mit Konflikten gelernt werden, im Bereich der sekundären Prävention z.B. durch Mediationsverfahren eine faire tragfähige Lösung erarbeitet wird, was eine (weitere) Eskalation verhindert und im Bereich der tertiären Prävention Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs und der Versöhnungsarbeit einem Rückfall in erneute Gewaltanwendung entgegenwirken können.

    Konstruktive Konfliktbearbeitung stellt das einzig durchgängige gewaltpräventiv wirksame Konzept dar, das auf allen Ebenen (Individuum, Familie, Gruppe, Gesellschaft, international) ihre jeweils spezifische Ausformung gefunden hat und anwendbar ist.
    Konstruktive Konfliktbearbeitung könnte sich bei entsprechender Qualifizierung, Implementation und Förderung zu einem alternativen Konfliktmanagement in der Schule und der gesamten Zivilgesellschaft entwickeln.

    Die unmittelbare Teilhabe von Schülerinnen und Schülern an der Bearbeitung und Klärung der eigenen Angelegenheiten fördert gleichzeitig das Demokratieverständnis und das demokratische Engagement in einer Gesellschaft.

    Konflikte und Verhalten in Konflikten
    Konflikte sind Teil des menschlichen Zusammenlebens. Sie sind Ausdruck von unterschiedlichen Interessen, Vorstellungen, Zugriffsmöglichkeiten auf Ressourcen und Teilhabe an Macht.

    Nicht das Vorhandensein von Konflikten ist als problematisch oder gar friedensgefährdend einzustufen, sondern Gewalt fördernde Austragungsformen, die Unrecht weiterschreiben, einzelne Parteien übervorteilen, die auf Macht und einseitige Interessendurchsetzung ausgerichtet sind und davon ausgehen, dass nur eine Seite über die „Wahrheit“ und das „Recht“ verfüge.

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  13. Kapitel 3.5: Demokratie- und Werteerziehung

    Demokratie gegen Gewalt
    „Es gibt einen grundlegenden und empirisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Demokratieerfahrung und Gewaltverzicht: Wenn Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen, dass in Schule und Erziehung Mitwirkung, demokratisches Handeln und Verantwortungsübernahme erwünscht sind und als wichtig anerkannt werden, sind sie für Gewalt und Rechtsextremismus weniger anfällig als Jugendliche, denen diese Erfahrung versagt bleibt“ (Edelstein/Fauser: 2001, S.?20).

    Mitbestimmung und Partizipation stellen ein natürliches Bollwerk gegen Gewalt dar, denn Demokratie bietet Alternativen zur gewaltsamen Durchsetzung von Interessen. Menschliches Zusammenleben in einer Demokratie basiert auf gegenseitiger Achtung, auf den Möglichkeiten aller zur Beteiligung und Mitentscheidung, auf dem Schutz von Minderheiten und rückt so die Würde des Menschen in den Mittelpunkt des Handelns. Um diese zu schützen, müssen vielfältige Voraussetzungen geschaffen werden.

    Dies gilt für das Zusammenleben in der Gesellschaft ebenso wie für das in der Schule. Demokratisch strukturierte Schulen, die ein hohes Maß an Mitgestaltung und Mitbestimmung aufweisen, sind nicht nur gewaltärmer, sondern zeigen auch eine höhere Lernbereitschaft der Schülerinnen und Schüler. Denn hier sind die sozialmoralischen Voraussetzungen im Schulleben und im Schulunterricht stärker entwickelt und die entsprechenden Selbst- und Sozialkompetenzen intensiver ausgebildet (Himmelmann 2007, S.?12).

    Jugend und Politik
    Jugendliche haben ein eigenes Politikverständnis. Viele stehen Politikerinnen und Politikern sowie den Parteien sehr skeptisch gegenüber. Sie verstehen Politik ganzheitlich. Emotionen, persönliche Bedürfnisse und eigene Interessen spielen dabei eine ebenso große Rolle wie sachliche Überlegungen und vernunftorientierte Entscheidungen. Jugendforscher meinen, dass Jugendliche durch ihre Einstellungen und Verhaltensweisen Tendenzen signalisieren, wo künftige Chancen und Probleme hinsichtlich der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen liegen.

    Jugendliche können als Vorreiter für eine neue Auffassung von Politik wahrgenommen werden, die sich mittelfristig auf breiter Ebene durchsetzen könnte. Die Kritik der jungen Generation an Gesellschaft und Politik sollte ernst genommen werden. Wenn die Bedürfnisse Jugendlicher nicht genügend berücksichtigt werden, besteht die Gefahr, dass sich noch mehr Jugendliche von der etablierten Politik abwenden.

    Junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren sind eine der aktivsten Gruppen der Bevölkerung. 36 % engagieren sich bereits, weitere 40?% würden sich gerne im sozialen und gesellschaftlichen Bereich engagierten (vgl. Gensicke u.a. 2005). Es ist eine Aufgabe von Familie, Schule, Gesellschaft und Politik Formen politischer Partizipation zu finden und anzubieten, die für die Jugendlichen akzeptabel sind und die Motivation und Bedürfnisse von Jugendlichen aufgreifen.

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  14. Kapitel 3.6: Interkulturelles Lernen

    Interkulturelles Lernen
    In Deutschland lebten Ende 2008 über 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist mit ca. 19 Prozent doppelt so hoch wie der Anteil der bisher erfassten Ausländer, die ca. 9 Prozent der Gesamtbevölkerung (6,7 Mio.) stellen (Bundesamt für Migration 2009).

    Die Entwicklung interkultureller Kompetenz als Erweiterung der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit für Fremdes und als die Fähigkeit, das Andere als anders zu akzeptieren, wird von der UNESCO als Kern einer Erziehung zum Frieden und zur Demokratie angesehen.

    Interkulturelles Lernen bezeichnete früher vor allem politische und pädagogische Programme, die eine Erziehung zur Völkerver-ständigung zu verwirklichen suchen. Seit Beginn der 1990er Jahre wird interkulturelles Lernen zunehmend im Kontext der Globali-sierung verwendet und bezeichnet das Lernen fremder Kulturen bei gleichzeitiger Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur (vgl. Nestvogel 2002, S.35).

    Voraussetzung für interkulturelles Lernen ist die Begegnung mit anderen (fremden) Kulturen. In der Vergangenheit fand diese Begegnung klassischerweise im Ausland als „Austausch“, „Partnerschaftstreffen“ oder „Studienaufenthalt“ statt. Die neue Herausforderung ist heute, dass sich diese Begegnung der Kulturen zunehmend in unsere Gesellschaft, quasi in den Alltag verlagert hat.

    Interkulturelles Lernen gewinnt seine Relevanz und Brisanz vor dem Hintergrund von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre.
    Innergesellschaftlich sind dies u.a.:
    • vielfältige fremdenfeindliche Aktivitäten;
    • die Entwicklung von (scheinbar) homogenen Gesellschaften zu multikulturellen Gebilden;
    • die Einbeziehung (von Waren und Dienstleistungen) nahezu sämtlicher Länder in Produktion und Konsumption;
    • die Entwicklung neuer Technologien, die große internationale Kommunikationschancen eröffnen.
    International sind dies u.a.:
    • die sich immer stärker vollziehende Integration Westeuropas;
    • die zunehmende Globalisierung und Internationalisierung der Lebenswelt;
    • die parallele Tendenz von zunehmender Integration auf internationaler Ebene bei gleichzeitiger starker Betonung regionaler Besonderheiten;
    • die Tendenz, politische und soziale Konflikte unter ethnischen Aspekten zu definieren.
    Das Konzept des interkuturellen Lernens hat es also sowohl mit individuellen, innergesellschaftlichen als auch mit internationalen Herausforderungen zu tun.

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  15. Kapitel 3.7: Sport und Fair Play

    Sport und Gewalt
    Sport ist Bewegung. Menschen sind Bewegungswesen. Sie benötigen ihren Körper jedoch nicht nur zur Fortbewegung, sondern sie sind auch Körper, der sich durch Emotionen bewegen lässt. Wahrnehmen, Begreifen und Erfahren sind körperbezogene Tätigkeiten, wenngleich die wahrgenommenen Impulse dann im Gehirn weiterverarbeitet werden.

    Die Körperlichkeit pendelt in der modernen Welt zwischen Kultobjekt und Vernachlässigung, wobei der Körper immer auch zur Selbstdarstellung und zum Selbstausdruck verwendet wird. Körper- und bewegungsbezogene Konzepte der Gewaltprävention durch Sport gewinnen zunehmend an Bedeutung (vgl. Jäger 2008, S.61 ff.).

    Sie sollen jungen Menschen neue Perspektiven aufzeigen und das Abrutschen in Delinquenz verhindern (vgl. Günther 2006). Dabei sollen Kinder und Jugendliche auf der Beziehungsebene durch Sport erreicht werden. Sport soll ihnen ermöglichen, Grenzen auszutesten, Regeln akzeptieren zu lernen und Fairness zu praktizieren. Aggressionen und motorischer Bewegungsdrang können „gesteuert“, vorhandene körperliche Fähigkeiten eingesetzt und Schwellenängste abgebaut werden. Das Selbstwertgefühl kann gestärkt werden, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit werden stimuliert. Dies gelingt um so besser, da Sport für viele Jugendliche Ausdruck eines Lebensgefühls ist.

    Fachleute bezweifeln jedoch, dass diese Annahmen der universalpräventiven Wirkung von Sport so zutreffen. Denn Sport alleine kann diese Wirkungen nicht erreichen. Er ist auf ein sinnvolles, langfristig angelegtes pädagogisches Gesamtkonzept und auf die Vernetzung mit dem sozialen Umfeld angewiesen, um sein Potenzial entfalten zu können (vgl. Pilz 2002). Dann allerdings kann der Beitrag des Sports zur Gewaltprävention beachtlich sein.

    Gewalt im und durch Sport
    Fachleute, wie z.B. der Sportsoziologe Gunter A. Pilz weisen mit Recht darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Sport und Gewalt komplex sei und dass Sport selbst eine Vielzahl von Gewaltphänomenen produziere. Problematisch ist z.B., wenn vermittelt wird, dass es im Interesse des Erfolges durchaus richtig und wichtig sei, Regeln zu verletzen. Foulspiel und Doping sind Beispiele für die z.T. menschenverachtende Doppelmoral im Sport, dessen ethischen Werte zwar grundsätzlich vorbildlich sind, sich in der Praxis jedoch vielfach als Worthülsen erweisen.

    Gewalt in der Gesellschaft und im Sport sind zwei Seiten einer Medaille. Ohne Frage liegt auch beim Sport der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zunächst auf Formen der direkten Gewalt. „Geil auf Gewalt“, dieser deutsche Titel des Klassikers von Bill Buford (1991) über Erfahrungen mit Hooligans ist dafür Programm. Doch diese Sichtweise greift zu kurz. Es müssen auch die strukturellen und kulturellen Gewaltpotenziale bzw. die diesbezüglichen Ursachen und Voraussetzungen identifiziert und zum Gegenstand der Auseinandersetzung gemacht werden.

    Die Ursachen sind vielfältig: Abbau von Frustrationen, das Gefühl von Macht und Stärke, aber auch von Ohnmacht, Provokation, gruppendynamische Prozesse, Enthemmung durch Alkohol, zunehmende Verregelung, Stigmatisierung und Ausgrenzung gehören dazu (Busch 2008, S.25). In Untersuchungen zum Zuschauerverhalten im Fußballsport wurde nachgewiesen, dass nach dem Erleben von Fußballspielen allgemein die Bereitschaft zu aggressiven Handlungen ansteigt. Mehr noch, vor allem bei Spielen, in denen es sehr hektisch zuging, bei Spielen mit vielen Fouls, mit gelben und roten Karten steigt die Gewaltbereitschaft der Zuschauer signifikant an (Pilz 1999, S.130).

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  16. Kapitel 3.8: Medien

    Medien
    Ohne Zweifel hat die Auseinandersetzung mit Medien eine große Bedeutung für Strategien der Gewaltprävention. Nicht im reaktiven Sinne von Bewahrung und Verbot, sondern im aktiven Sinne der Aneignung von Medien zur aktiven Gestaltung und kritischen Auseinandersetzung. Dabei sollte bei der Diskussion um Gewalt in Medien stets im Bewusstsein sein: Es sind nicht Kinder und Jugendliche, die diese Spiele und Filme produzieren und in Umlauf bringen, sondern Erwachsene, die damit Geld verdienen wollen. Aber es ist genauso richtig, dass es neben dem Angebot auch eine Nachfrage nach solchen Spielen gibt.

    Jugendwelt ist „Medienwelt"
    Kinder und Jugendliche leben nicht nur in einer von Medien geprägten Umwelt, ihre Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und die Aneignung der Welt vollzieht sich in einem zunehmenden Maße über medienvermittelte Erfahrungen. Die Einflüsse von Medien auf den Alltag, auf Meinungen und Wissen sind allgegenwärtig und werden sich in den nächsten Jahren vor dem Hintergrund der sich immer weiter entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien noch intensivieren. Erziehung und Bildung können diese Entwicklungen nicht ignorieren.
    Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene verfügen heute nicht nur über beträchtliche Medienerfahrungen, sondern auch über eine relativ hohe Medienkompetenz was den Umgang mit und die Bedienung von Geräten betrifft – nicht so sehr was ein kritischer Umgang damit ausmacht. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich allerdings je nach sozialem Umfeld und Bildungsniveau erhebliche Unterschiede im Umfang und Intensität der Mediennutzung.

    Medien und Sozialisation
    Ein Drittel aller Kinder nennt Personen (Schauspieler) aus Film und Fernsehen als ihr Idol, bzw. Vorbild. Fernsehen, Musik hören, Videos sehen gehören zu ihren beliebtesten und verbreitesten Freizeitinteressen (JIM-Studie 2008). Haushalte, in denen Kinder aufwachsen, weisen eine zunehmende Medienausstattung auf. Bei Fernsehgeräten, Handys und Computern inklusive Internetzugang kann heute von einer Vollversorgung ausgegangen werden.
    Medien sind Teil der Kinder- und Jugendkultur und vermitteln Zugang zu ihr. Sie drücken Lebensgefühle aus und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe und Kontaktaufnahme zu anderen. Medien erfüllen für Kinder und Jugendliche in spezifischen Lebensphasen bestimmte (innerpsychische und soziale) Bedürfnisse, die Entwicklungsprozesse unterstützen. Durch Medien bearbeiten Kinder und Jugendliche auch eigene Lebensthemen. Dies ist nicht so sehr ein äußerer, sondern vor allem ein innerer Prozess. Dabei ist auch zu beachten, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Nutzung und im Umgang mit Medien gibt.

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  17. Kapitel 4.1: Zivilcourage lernen

    Zivilcourage
    „Fremdenhass und Gewalt gegen Minderheiten sind aus unserer Gesellschaft nicht verbannt und kommen nahezu täglich vor. Ausländer, Behinderte, Obdachlose werden diskriminiert, bedroht oder angegriffen. Menschenfeindliche, antisemitische und rassistische Ideologien werden öffentlich vertreten. Die Gräuel des Nationalsozialismus werden verharmlost oder gar geleugnet“ so der frühere Bundespräsident Johannes Rau (2000).

    Wenn wir nicht wollen, dass unser Land vergiftet wird und unsere Demokratie ihre Basis verliert, ist es zentral, sich gegen Unrecht, Ungerechtigkeit und Willkür zu wehren und Freiheit und Menschenwürde überall dort zu verteidigen, wo sie infrage gestellt oder beschnitten werden. Dies fängt im Alltag an, reicht über den beruflichen und öffentlichen Bereich bis zur Politik.

    Die Fähigkeit, Gleichheit von Ungleichheit und Recht von Unrecht zu unterscheiden, soziale Demokratie und rechtsstaatliche Prinzipien als kostbares Angebot von Freiheit, Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt zu erkennen, ist eine Schlüsselqualifikation für eine demokratische Gesellschaft (vgl. Thierse 2000). Zivilcourage gehört zu den unverzichtbaren Tugenden der Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie. Sie hat die Aufgabe, den öffentlichen Raum zu verteidigen und die Geltung humaner Werte in der Gesellschaft zu sichern.

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  18. Kapitel 4.2: Verhalten in akuten Gewaltsituationen

    Handeln in akuten Gewaltsituationen
    Handeln in Gewaltsituationen ist wichtig, denn nur so kann Tätern verdeutlicht werden, dass ihr Verhalten nicht toleriert wird und sie für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen werden. Gleichzeitig wird den Opfern gezeigt, dass sie Hilfe und Unterstützung erfahren.

    Konkrete Handlungsmöglichkeiten oder gar -anweisungen für efffektives Verhalten in Problem- und Gewaltsituationen zu formulieren, ist äußerst schwierig, da diese Situationen sehr komplex sind und der ständigen Gefahr schneller Eskalation unterliegen. Zudem müssen Handlungsvorschläge nach spezifischen Bereichen (Schule, Familien, öffentlicher Raum usw.) differenziert werden.

    Auch die Frage nach den Motiven für bzw. den Zielen von Übergriffen spielt hierbei eine wichtige Rolle. Soll mit dem Gewaltakt Aufmerksamkeit erzielt, Vergeltung ausgeübt oder Macht demonstriert werden, oder dient er dazu bestimmte Vorteile zu erlangen? Werden Übergriffe von Einzelpersonen oder von einer Gruppe ausgeübt? Spielen ideologische Motive (Ausländerfeindlichkeit, rechtsextremes Gedankengut usw.) eine Rolle?

    Wichtig ist dabei zu erkennen, dass in akuten Gewaltsituationen andere Handlungs- und Vorgehensweisen gefragt sind, als sie im Rahmen von konstruktiver Konfliktbearbeitung, Mediation oder Konfliktmanagement praktiziert werden.
    Sinnvoll erscheint es, sich mit potenziellen Droh- und Gewaltsituationen im Vorfeld auseinanderzusetzen (z.B. Notfallpläne ausarbeiten). Dies ermöglicht es, in einer Gewaltsituation angemessen(er) zu handeln. Dennoch lässt sich (eigenes und fremdes) Verhalten nur unzureichend vorhersagen, weil solche Situationen
    • oft emotional aufgeheizt sind;
    • in ihrem Verlauf kaum berechenbar und kontrollierbar sind;
    • häufig unvermittelt auftreten, sodass eine besondere Vorbereitung auf die spezifische Situation kaum möglich ist;
    • sofortiges Handeln erfordern;
    • Absprachen mit anderen in der Situation oft nur schwer möglich sind;
    • Ängste um die eigene körperliche Unversehrtheit aktivieren.

    Umgang mit Aggression und Gewalt bedeutet ...
    • im persönlichen Bereich zum einen das Erkennen und Beherrschen der eigenen aggressiven Impulse und Phantasien, die Reflexion des eigenen Handelns in gewaltträchtigen Situationen sowie die Förderung eines alternativen Verhaltensrepertoires, das den Rückgriff auf gewalttätige Handlungen nicht mehr notwendig erscheinen lässt. Zum andern aber auch, Möglichkeiten des Eingreifens und der Mobilisierung von Hilfe in Gewaltsituationen zu kennen.
    • im institutionellen Bereich das Erkennen und Beseitigen von aggressionsfördernden Organisationsbedingungen, Strukturen und baulichen Maßnahmen sowie ein Vorbereiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf mögliche Gewaltvorfälle.
    • im gesellschaftlichen und internationalen Bereich das Wahrnehmen und Verstehen der eigenen Reaktionen auf gesellschaftliche und staatliche Gewalt; erlernen und praktizieren von Mitgefühl mit den Opfern, das Abmildern bzw. Beheben der Folgen von Gewalt. Letztlich heißt Umgang mit dieser Gewaltdimension auch, die politischen und gesellschaftlichen Strukturen so zu verändern, dass Gewalt reduziert wird.

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  19. Kapitel 4.3: Mobbing

    Was ist Mobbing?
    Mobbing ist eine subtile Form der Gewalt, die in in allen Bereichen des privaten und gesellschaftlichen Lebens vorkommt: In der Nachbarschaft, in der Arbeitswelt, in der Schule, in Organisationen und Verbänden. Der Begriff Mobbing stammt aus dem Englischen und bedeutet anpöbeln, fertigmachen (mob = Pöbel, mobbish = pöbelhaft). In der Wissenschaft wird Mobbing als systematischer und wiederholter Angriff auf die psychische oder physische Integrität verstanden, mit dem Ziel, den Betroffenen auszugrenzen und zu isolieren.

    Mobbinghandlungen vollziehen sich über einen längeren Zeitraum und unterscheiden sich dadurch von einmaligen Handlungen. Mobbinghandlungen können verbal oder körperlich oder auch indirekt manipulativ sein. Ein zentrales Merkmal von Mobbing besteht darin, dass sich die Angriffe auf wenige Opfer konzentrieren (Schuster: 2007, S.87). Die Schwierigkeit, Mobbinghandlungen präzise zu fassen, liegt u.a. darin, dass der Begriff Mobbing unterschiedlich definiert wird und dass von den Betroffenen jede Handlung als feindselig eingestuft werden kann, wenn sie subjektiv als solche empfunden wird.

    Glasl (2004, S.90) sieht Mobbing auch als Teil eines Konfliktgeschehens, für das typisch ist, dass der Konflikt „kalt und verdeckt“ eskaliert und dadurch erst sehr spät wahrgenommen wird. Das Mobbingopfer sieht sich von einer ganzen Gruppe (mit unterschiedlicher Rollenverteilung) angefeindet und bedroht. Wie Untersuchungen zeigen, findet Mobbing in der Schule nicht nur unter Schülerinnen und Schülern statt, sondern auf allen Ebenen, also auch zwischen Lehrkräften, Eltern und der Schulleitung.

    Wie verbreitet ist Mobbing?
    Mobbing geschieht vor allem in „Zwangsgemeinschaften“ wie der Arbeitswelt, Schule, Ausbildungseinrichtungen o.ä., denn diese Bereiche können nicht ohne weiteres verlassen werden (vgl. www.mobbing.de). In freiwilligen Zusammenschlüssen wie Sportvereinen oder Freizeitclubs taucht Mobbing weniger auf, ganz einfach deshalb, weil sich Menschen, die sich nicht akzeptiert fühlen, einen anderen Verein oder ein anderes Hobby suchen können.

    Die Angaben der von Mobbing Betroffenen schwanken sehr stark und sind von den jeweils verwendeten Kriterien abhängig. Wissenschaftliche Untersuchungen gehen davon aus, dass ca. fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Schule (im Sinne der obigen Definition) gemobbt werden (Schuster 2007, S.88).

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  20. Kapitel 4.4: Rechtsextremismus

    Rechtsextremismus
    Rechtsextreme Einstellungen sind kein Randphänomen, sondern in allen gesellschaftlichen Gruppen und in allen Bundesländern (wenngleich mit unterschiedlicher Gewichtung) weit verbreitet. Menschen mit rechtsextremen Einstellungen bilden keine geschlossene, sondern eine sehr heterogene Gruppe. Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus als Dimensionen des Rechtsextremismus haben die höchsten Zustimmungswerte.

    Rechtsextremismus ist ein politisches Problem, das in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist. So einige Befunde neuerer Rechtsextremismusforschung (vgl. Decker u.a. 2008, S.10 ff.). Dabei ist zu beachten, dass es sich um Einstellungen handelt und nicht um entsprechend motivierte Handlungen, wie Wahlverhalten oder Gewalttaten. Gleichwohl gibt es einen Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten.

    Der harte Kern der organisierten Rechtsextremisten wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz für das Jahr 2008 auf ca. 30.000 Personen geschätzt. Rechtsextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten prägen in vielen Bereichen das öffentliche Klima und erzeugen vielerorts ein Gefühl von Ohnmacht, zumal wenn ganze Gebiete im rechtsextremen Sprachgebrauch als „national befreite Zonen“ bezeichnet werden, in denen es (nicht nur) für Ausländer gefährlich werden kann.

    Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (2009, S.26) gab es 2008 bundesweit ca. 24.605 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund. Der (versuchten) Meinungsdominanz der Rechten muss entschieden entgegengetreten werden. Diskriminierungen und Gewalttaten dürfen nicht hingenommen werden.

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  21. Kapitel 4.5: Amoklauf an Schulen

    Schwere Gewalt
    Obwohl krisenhafte Ereignisse, wie sog. Schulmassaker oder Amokläufe, nur selten vorkommen, ist ihre Anzahl in den letzten Jahren gestiegen. Das erste School Shooting fand am 13.12.1974 in Olean, New York, (USA) statt als ein 18-Jähriger Schusswaffen und selbst gebastelte Bomben mit in die Schule brachte (vgl. Wickenhäuser 2005, S.13). Über 100 weitere haben seitdem weltweit stattgefunden, 66 davon in den letzten zehn Jahren. Fast 200 Schüler und Lehrkräfte fielen den Gewalttaten zum Opfer.

    In Deutschland haben seit 1999 acht Amoktaten an Schulen stattgefunden, bei denen über 40 Menschen ums Leben kamen (vgl. Langer/Diehl 2009; Ludwig 2009). Solche Ereignisse kommen meist – da mögliche Anzeichen nur unzureichend wahrgenommen und verstanden werden – unerwartet und überraschend. Sie bringen die Betroffenen in eine existentielle Stresssituation, die sofortiges Handeln erfordert, das über Leben und Tod entscheiden kann.

    Auch wenn solche Ereignisse wohl nie vollständig verhindert werden können, kann man ihnen präventiv begegnen und sich auf sie vorbereiten. Hierzu gehören das Aufstellen von Notfallplänen, das Einüben von günstigen Handlungsweisen in Extremsituationen sowie der Umgang mit den Betroffenen nach dem Ereignis.

    Ein Amoklauf ist in den seltensten Fällen nur blindwütige Raserei, die sich impulsiv aus einer Situation heraus ergibt. Bei Amok handelt es sich in aller Regel um eine genau geplante und organisierte Tat. Fast alle Täter beschäftigen sich vor der Tat einige Zeit gedanklich mit dem bevorstehenden Gewaltakt und planen diesen oft sehr genau. Sie beschaffen sich gezielt die Tatwaffen, und wählen ihre Opfer in den meisten Fällen bewusst aus.

    Der Begriff „Amok“ ist das einzige aus dem Malaiischen entlehnte Wort (amuk) in der deutschen Sprache. Es bedeutet ursprünglich „wütend“, „rasend“, „im Kampf sein Letztes geben“. Amokkämpfer in Südindien oder Malaysia warfen sich mit Todesverachtung in die Reihen des Feindes. Gefallene Amokkrieger galten als Helden des Volkes und als Lieblinge der Götter. Handlungsreisende berichteten im 16. Jahrhundert über Malaien, die sich mit Opium berauschten, plötzlich mit einem Dolch bewaffnet auf die Straße stürmten und jeden niederstachen, der ihnen begegnete. Dabei riefen sie „Amok“ (vgl. Focus, 18/2002, S.26).

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  22. Prävention
    Prävention ist zunächst das eigentliche und primäre Geschäft der Pädagogik.

    Prävention meint, dass Verhältnisse so stabil sein müssen, dass sich in ihnen schwieriges Verhalten nicht entwickelt bzw. dass es da, wo es anfängt sich zu entwickeln, aufgehalten und abgefangen werden kann.

    Prävention zielt auf Verhältnisse, die ein gelingendes Großwerden möglich machen.
    Prävention zielt darauf, und da gibt es großen Nachholbedarf, dass die Schulen gut sind, dass die familialen Verhältnisse verlässlich und attraktiv sind, aber auch, dass es ein Gemeinwesen gibt, in dem Probleme aufgefangen werden können und nicht abgeschoben und exkludiert werden müssen.

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  23. Gewaltprävention fußt auf der Überzeugung, den Erfahrungen und Erkenntnissen, dass es Handlungsmöglichkeiten gegen Gewalt gibt, die der Anwendung von Gewalt vorbeugen.

    Prävention bedeutet, durch Vorbeugen spätere Kosten zu sparen, bzw. Schlimmeres zu verhindern. Dies will auch Gewaltprävention: durch rechtzeitiges Handeln Gewalt verhindern. Über diese allgemeine Aussage hinaus gibt es jedoch keine gemeinsam anerkannte Definition, was unter Gewaltprävention zu verstehen ist und wie
    Vorbeugung zu geschehen habe, obwohl der Begriff ständig in vielfältigen Zusammenhängen verwendet wird.

    Der Hinweis, Gewaltprävention zu betreiben, dient der Handlungslegitimation (im Dienste der öffentlichen Sicherheit), der Forderung nach Mitteln (hier ist finanzielle Förderung dringend geboten) und der Produktion von Konsens (wir sind doch alle für Gewaltprävention).

    Geklärt sind jedoch weder der Gegenstandsbereich noch die genauen Ziele und Methoden, die mit Gewaltprävention gemeint sind. Gewaltprävention, wie sie oft diskutiert wird, bezieht sich vor allem auf die Verhaltensbeeinflussung von Personen. Sie orientiert sich vorwiegend an Normübertretungen Jugendlicher und ist – zumindest im Kontext westlicher Industrieländer – vor allem auf das Phänomen Jugendkriminalität ausgerichtet.

    Der Begriff muss aber neben dieser individuellen Dimension, die Verhalten im Blick hat, auch eine strukturelle und institutionelle Dimension erhalten, die die Verhältnisse, die dieses Verhalten (mit-)bedingen, berücksichtigt und darüber hinaus auch eine kulturell-gesellschaftliche Dimension, die Legitimationsebenen dieser Verhältnisse einbezieht.

    In den letzten Jahren hat sich die Verwendung des Begriffs Gewaltprävention geradezu inflationär ausgeweitet, mit der Gefahr einer Entgrenzung der Gewalt- und Präventionsbegriffe. Deshalb ist es wichtig, von einem kinder- und jugendspezifischen Verständnis von Gewalt und einem engen Verständnis von Gewaltprävention
    auszugehen, das die Reduzierung und die Verhinderung von Gewalt zum Ziel hat (Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalprävention 2007; Steffen 2007, S. 208).

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