Fatalismus wäre Todsünde.
Gespräche über Ethik und Mitverantwortung im dritten Jahrtausend [Taschenbuch]Hans Jonas (Autor), Dietrich Böhler (Autor)
Gespräche über Ethik und Mitverantwortung im dritten Jahrtausend [Taschenbuch]Hans Jonas (Autor), Dietrich Böhler (Autor)
Hans Jonas wurde am 10. Mai 1903 in Mönchengladbach geboren. Er
studierte in Freiburg und in Berlin an der Hochschule für die
Wissenschaft des Judentums und an der Friedrich-Wilhelms-Universität
sowie an der Universität Marburg.
1949 siedelte er nach Kanada über und wurde Fellow an der McGill-University Montreal und 1950-1954 an der Carleton-University Ottawa. 1955 übernahm er eine Professur an der New Shool for Social Research.
Es folgten Gastprofessuren an der Princeton University, Columbia University, University of Chicago und der Universität München. 1987 wurde ihm der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Hans Jonas ist am 5. Februar 1993 in seinem Haus bei New York gestorben.
1949 siedelte er nach Kanada über und wurde Fellow an der McGill-University Montreal und 1950-1954 an der Carleton-University Ottawa. 1955 übernahm er eine Professur an der New Shool for Social Research.
Es folgten Gastprofessuren an der Princeton University, Columbia University, University of Chicago und der Universität München. 1987 wurde ihm der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Hans Jonas ist am 5. Februar 1993 in seinem Haus bei New York gestorben.
Aus: Hans Jonas, Fatalismus wäre Todsünde. Hg. v. D.
Böhler, Münster: Lit 2005, S. 53-55.
Verehrter Herr Bundespräsident
und - in aller Kürze - meine Damen und Herren,
und - in aller Kürze - meine Damen und Herren,
begreiflicherweise überwältigt von dem, was ich hier in den letzten
zwei Stunden gehört habe, was an mich gerichtet war oder über mich
gesagt wurde, überwältigt sowohl vom Inhaltlichen wie von der
Wärme und Großzügigkeit des Gesagten, rechne ich auf Ihr
Verständnis dafür, daß ich nur mit wenigen dürftigen
Worten antworten kann.
Eine Ehrung wie die hier mir so verschwenderisch zuteil gewordene erzeugt
in ihrem Empfänger eine Mischung von Glück, Stolz und Verlegenheit.
Glück und Stolz brauche ich nicht zu erklären. Wen beglückte
es nicht, sein Lebenswerk von kundiger Seite so anerkannt zu hören und
es in dieser Hinsicht als geglückt ansehen zu dürfen? Und wen
erfüllte es nicht mit Stolz, daß dies an so rühmlicher Stelle
und vor einer so glänzenden Versammlung geschieht? Als mich besonders
bewegend darf ich hier die Anwesenheit des Herrn Bundespräsidenten
hervorheben, für den ich seit langem Gefühle persönlicher
Verehrung hege.
Was aber die Verlegenheit betrifft, so wurzelt sie in dem Zweifel meines
Herzens, den keine Kompetenz und keine Aufrichtigkeit der mich Ehrenden stillen
kann, ob ich so viel Lob, auch abzüglich der solchen Gelegenheiten schuldig
erachteten Übertreibungen, wirklich verdiene. Es ist dies, ich versichere
Sie, keine Koketterie der Bescheidenheit, sondern die immer heikel bleibende
Bilanz von Vollbringen und Versagen, zu der allein es eine einigermaßen
ehrliche Selbstprüfung am Ende einer langen Bahn bei mir bringen kann.
An dieser Stelle schweife ich von meinem vorbereiteten Text ab, um angesichts
dessen, was ich heute gehört habe, in freier und hoffentlich nicht zu
stammelnder Rede noch etwas hinzuzufügen.
Die Verlegenheit, von der ich sprach, hat außer dem erwähnten
subjektiven auch noch einen viel ernsteren objektiven Grund: Und das ist
die Befürchtung oder der Verdacht einer Vergeblichkeit des Wortes, selbst
des wahren Wortes, wenn es zu sehr in Widerspruch gerät mit den
Zwängen, den Nöten, den Interessen, den Mächten des Augenblickes
und wenn es zu weit in die Zukunft greift - daß es dann ohnmächtig
wird für die Gegenwart.
Es gibt Gründe genug für eine solche Befürchtung und infolgedessen
Gründe genug für einen tiefen Zweifel am schließlichen Ausgang
der Sache, an der man wirkt. Die jetzt stattfindende Gipfelkonferenz in Rio
ist eine Probe aufs Exempel, deren Ausgang ich mit einigem Bangen entgegensehe.
Er wird wahrscheinlich die Art von Zweifel, die ich eben äußerte,
bestärken, so fürchte ich oder so sehe ich voraus, würde das
aber nicht für einen Grund halten, die Flinte ins Korn zu werfen. Da
hier zu meiner Freude die Studentenschaft zu Wort gekommen ist, wollte ich
eben hier in improvisierter Rede sagen, daß Fatalismus die eine
Todsünde des Augenblicks wäre.
Das bevorstehende Schicksal, das uns droht, das wir uns selber bereiten
würden, wenn wir die Erde weiter schlecht verwalten, wie wir es im
Augenblick tun, dieses Unglück werden wir nur um so sicherer machen,
als je unausweichlicher wir es ansehen. Ich warne daher vor der inneren Gefahr
des Fatalismus, die fast so groß ist wie die äußere Gefahr,
die ohnehin durch unsere Schuld besteht. Fatalismus - d.h. das Schicksal
für unausweichlich zu halten, nicht wendbar, ist selbsterfüllend
und wird das gewiß zustande bringen, was eben der Rat der Verzweiflung
als unabwendbar ansieht.
Ich möchte Ihnen daher als alter Mann, der oft erfahren hat, daß
das Wort ohnmächtig ist, zurufen: Oh, glauben Sie nicht, glaubt nicht
daran, daß Dinge unausweichlich sind, und laßt Euch nicht
verführen vom Rate angeblich objektiver Notwendigkeit, der wir hilflos
gegenüberstünden. Haltet daran fest, daß wie man denkt, was
man denkt, was man sagt und wie man in der wechselseitigen Kommunikation
Ideen verbreitet, einen Unterschied ausmacht im Gang der Dinge. Erfolg ist
nicht garantiert; aber sicher ist, daß die Anstrengung unterlassen,
die Bemühung aufgeben, ganz bestimmt das Unheil werden läßt,
das wir voraussehen können und dessen Voraussehen es ja doch verhindern
soll. Verzeihen Sie mir, daß ich in dieser mahnenden Weise - nicht
nur an Sie, sondern auch noch an mich selbst gerichtet - Ihnen predige.
Betrachten Sie also bitte die zuvor von mir beschriebene Verlegenheit und
auch die soeben skizzierten objektiven Bedenklichkeiten als mit eingeschlossen
in den tieffühlenden Dank, den ich hiermit all denen, die gesprochen
habe, für ihre Worte und die darauf verwendete Mühe ausspreche.
[...]
Aus: Hans Jonas, Fatalismus wäre Todsünde. Hg. v. D.
Böhler, Münster: Lit 2005, S. 53-55.
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