Montag, 3. August 2015

Umbau der Märkte




Umbau der Märkte

Akkumulation – Finanzkapital – Soziale Kräfte
Michel Aglietta / Joachim Bischoff / Paul Boccara / Wolfgang F. Haug / Jörg Huff


Ende der 70er Jahre hatten sich die Innovationspotenziale in den kapitalistischen Hauptländern erschöpft. Die Folgen: Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit, Verschärfung der Verteilungskonflikte – schließlich: gesellschaftliche Stagnation und politische Blockaden. Die These des Historikers Immanuel Wallersteins lautet: das System der kapitalistischen Weltwirtschaft ist in lange Wellen – Kondratieff-Zyklen – eingebettet. Die ersten 30 Jahre dieses Zyklus nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erscheinen aus heutiger Sicht als das »Golden age« des »Jahrhunderts der Katastrophen«.
Die anschließende Niedergangsphase wird – Wallerstein zufolge – auch noch den Beginn des neuen Jahrhunderts prägen.
Dagegen steht die These:
Wir haben den Übergang in eine neue Epoche kapitalistischer Entwicklung bereits durchlaufen. Durch die Digitalisierung der Produktion, das Internet bzw. die Neue Ökonomie konnten die Krisen des fordistischen Akkumulationsprozesses überwunden werden. Sind also die Informations- und Kommunikationstechnologien eine neue Basisinnovation, mit der eine neue lange Welle – ein neuer Kondratieff-Zyklus – begonnen hat?
Dieses Buch enthält die wichtigsten Beiträge einer Diskussion der europäischen Linken über die Einordnung der aktuellen Entwicklungstendenzen in den Metropolen des Kapitals.

Inhalt:

Elisabeth Gauthier
Zeitgenössischer Kapitalismus
Michel Aglietta
Die finanzielle Globalisierung
Suzanne de Brunhoff
Der Begriff des Finanzregimes
Eine marxistische Interpretation der Finanzkrisen
Jörg Huffschmid
Verteilungsfrage, Finanzmärkte und Gegenreform
Michael R. Krätke
Finanzmärkte im gegenwärtigen Kapitalismus
Riccardo Bellofiore
Der Kapitalismus der Rentenfonds
Joachim Bischoff
Ein neues Akkumulationsregime?
Bob Jessop
Nach dem Fordismus
Das Zusammenspiel von Struktur und Strategie
Immanuel Wallerstein
Die Marginalisierung der Dritten Welt und die Krise der Weltwirtschaft
Gérard Duménil / Dominique Lévy
Das Wesen und die Widersprüche des Neoliberalismus
Michel Husson
Surfen auf der langen Welle
Jean Magniadas
Globalisierung, transnationale Firmen und kapitalistische Ausbeutung
Wolfgang Fritz Haug
Thesen zu einer Kritik der Neuen Ökonomie
Herbert Schui
Industrialisierung, effektive Nachfrage und Globalisierung
Einige Bemerkungen zur Zukunft des Kapitalismus
Paul Boccara
Vorschläge zur Überwindung der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus
Richard Detje
Die Linke in einer Zeit des Erdrutsches
Textnachweise und Übersetzer

Autorenreferenz

Michel Aglietta, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paris X-Nanterre, Frankreich
Riccardo Bellofiore, Ökonom, Universität Bergamo, Italien
Joachim Bischoff, Ökonom, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus, Hamburg
Paul Boccara, Ökonom, Universität Picardie, Direktor der Zeitschrift »Issues«
Suzanne de Brunhoff, Ökonomin, Mitarbeiterin am » Centre national de recherches scientifique« (CNRS), Paris
Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift »Sozialismus«, Hamburg
Gérard Duménil, »Centre nationale de la recherche scientifique« (CNRS), Paris
Elisabeth Gauthier, Direktorin von Espaces Marx, Paris
Wolfgang Fritz Haug, Professor für Philosophie am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin, Herausgeber der Zeitschrift »Das Argument«
Jörg Huffschmid, Professor für politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität Bremen
Michel Husson, Forschungsinstitut IRES, Frankreich
Bob Jessop, Professor für Soziologie an der Universität Lancaster, England
Michael Krätke, Professor für Politische Wissenschaften und Ökonomie an der Universität Amsterdam, Niederlande
Dominique Lévy, »Centre national de la recherche scientifique« (CNRS), Paris
Jean Magniadas, Institut de Recherches Economiques et Sociales de la CGT (L’ISERES), Frankreich
Herbert Schui, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Politik, Hamburg
Immanuel Wallerstein, Historiker, Centre Fernand Braudel an der Universität Binghamton, USA

2 Kommentare:

  1. Zeitgenössischer Kapitalismus
    Die in diesem Band veröffentlichten Beiträge waren Diskussionsgrundlage und Ergebnis des ersten Arbeitstreffens des europäischen Seminars »Zeitgenössischer Kapitalismus« (Draveil / Paris, 1.-2. Juni 2001), zu dem Espaces Marx (Frankreich), in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift »Sozialismus«, den Anstoß gegeben hatte.
    Die in Frankreich, Deutschland, Italien und anderen europäischen Ländern stattfindenden Diskussionsprozesse der politischen Linken über Tendenzen, Widersprüche im Kapitalismus und mögliche Alternativen sollten bei diesem Treffen aufeinander bezogen und erörtert werden. Die etwa 70 Anwesenden aus mehreren europäischen Ländern stimmten darin überein, dieses Seminar zu einer ständigen Einrichtung mit einer jährlichen Konferenz zu machen, deren Vorbereitung für 2002 von Vertretern der Rosa Luxemburg Stiftung (Berlin), Espaces Marx (Paris), »Sozialismus« (Hamburg) und der italienischen »Commission recherche«, in Kooperation mit anderen Arbeitsgruppen und Netzwerken, übernommen wurde. In einer Zeit, in der in vielen Strömungen, Gruppierungen und Parteien der politischen Linken über die Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Ökonomie und Gesellschaft debattiert und über politische Alternativen zum »Shareholder Kapitalismus« und seine gesellschaftlichen Auswirkungen nachgedacht wird, geht es auch darum, transnationale Orte einer offenen Auseinandersetzung und Arbeitsstrukturen zu schaffen, die es fortschrittlichen und marxistisch inspirierten Kräften erlauben, Analysen, Erkenntnisse, Alternativvorstellungen zu konfrontieren und emanzipatorische Ansätze gemeinsam weiterzutreiben.

    Die unterschiedlichen Positionen der TeilnehmerInnen sind damit Voraussetzung einer fruchtbaren Debatte. Das erste Treffen wurde von den Beteiligten positiv aufgenommen. Es konnten einige drängende Themen behandelt werden: die allgemeine Einschätzung der gegenwärtigen Phase des Kapitalismus, eine Analyse der heutigen Produktionsweise, die Beziehung von Finanzsektor und Gesellschaft, der Stand der Überlegungen zu alternativen Strategien. Einschränkend ist festzuhalten, dass die – überwiegend von Ökonomen – dargelegten Standpunkte sich auf die Entwicklungen in den kapitalistischen Hauptländern konzentrierten.

    In einer Periode tiefgehender Umwälzungen im Kapitalismus besteht eine der zentralen Schwierigkeiten darin, die unterschiedlichen Entwicklungsfaktoren nicht nur zu identifizieren, sondern auch zueinander in Bezug zu setzen, das Neue herauszuarbeiten und es dabei weder zu über- noch zu unterschätzen.

    Die Frage der ökonomischen Zyklen provozierte eine Kontroverse über die aktuelle Entwicklungsphase des Kapitalismus, die zentralen Inhalte der vor sich gehenden Umwälzungen, den Grad der Fragilität, die Bestimmung älterer und neuerer Faktoren der Instabilität, die Frage nach den Charakteristika einer Systemkrise und ihre potenzielle »Überwindung« in reaktionären oder fortschrittlichen Varianten. Umfang und Bedeutung der gegenwärtigen Revolution der Produktivkräfte, die darin enthaltenen Potenziale für Domination oder Befreiung, die Natur der sich neu entwickelnden Widersprüche standen zur Debatte.

    Elisabeth Gauthier (Sommer 2003).

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  2. Fortsetzung - Teil II

    Die Frage der ökonomischen Zyklen provozierte eine Kontroverse über die aktuelle Entwicklungsphase des Kapitalismus, die zentralen Inhalte der vor sich gehenden Umwälzungen, den Grad der Fragilität, die Bestimmung älterer und neuerer Faktoren der Instabilität, die Frage nach den Charakteristika einer Systemkrise und ihre potenzielle »Überwindung« in reaktionären oder fortschrittlichen Varianten. Umfang und Bedeutung der gegenwärtigen Revolution der Produktivkräfte, die darin enthaltenen Potenziale für Domination oder Befreiung, die Natur der sich neu entwickelnden Widersprüche standen zur Debatte.

    Bezüglich der Alternativen wurde im Grunde die Frage Reform/Revolution angesprochen, die Notwendigkeit neuer transformatorischer Regulationen, einer neuen Verbindung zwischen Sozialem, Ökonomischem und Politischem im Sinne einer Offensive zu Gunsten eines neuen Entwicklungsmodells, der Durchsetzung von neuen Rechten für die Bürger, von neuer politischer Macht nicht nur für die Staaten, sondern darüber hinaus die Gesellschaften. Obwohl die sich im internationalen Maßstab entwickelnde Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung einen neuen Horizont zu eröffnen scheint, muss doch zumindest für den europäischen Raum festgestellt werden, wie sehr sich die Linke – auch auf Grund eines mangelnden Verständnisses des zeitgenössischen Kapitalismus und der Ausweitung seiner Herrschaft auf alle Bereiche der menschlichen Aktivitäten – schwer tut, offensive Positionen zu entwickeln.

    Elisabeth Gauthier (Sommer 2003)

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