Montag, 25. Februar 2013

Die große Entwertung






Die große Entwertung: Vom finanzkapitalistischen Krisenaufschub zur globalen Notstandsverwaltung [Broschiert]


Ernst Lohoff Norbert Trenkle  


Nach der Finanzkrise ist nun die Krise der Staatsfinanzen in aller Munde. Schuldige finden sich dabei nur allzu leicht: 
- für die einen sind es die ,faulen Griechen', 
- für die anderen ,raffgierige Spekulanten' oder kurz und knapp die ,Bankster'. - Manche geben fehlender Regulierung und mangelnder staatlicher Intervention die Schuld, 
- wieder andere machen gar eine Überregulierung aus. 

Die Autoren dieses Buches wagen eine weitreichendere Antwort und suchen die Schuld nicht bei Einzelnen, sondern im Ganzen. Der Kapitalismus als solcher soll in einer fundamentalen Krise stecken, die Dominanz des Finanzsektors nur eine Folge dieser Krise sein.

Im Anschluss an einige Überlegungen von Karl Marx zu krisenhaften Verläufen im Kapitalismus entfalten die beiden AutorInnen eine Argumentation, die mit weiten Teilen nicht nur der bürgerlichen, sondern auch der marxistischen Krisenanalyse bricht. 
Sie entfalten dabei das Bild von der kapitalistischen Gesellschaft als einem dynamischem, sich stetig veränderndem Gebilde. Bis in die 970er Jahre hinein dauerte dabei die Aufstiegsgeschichte des Kapitalismus. 
Diese war mit einer scheinbar unaufhaltsamen Ausdehnung der kapitalistischen Verwertungsmöglichkeiten verbunden. 

Doch seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die bis dahin übliche Verwertung durch Akkumulation von verausgabter Arbeitskraft mehr und mehr durch die Akkumulation von fiktivem Kapital, von bloßen Finanztiteln also, abgelöst. 

Ernst Lohoff und Norbert Trenkle haben mit ,Die große Entwertung' ein lesenswertes und in insbesondere im ersten historischen Teil auch leicht zugängliches Buch vorgelegt, das Krisenanalyse auf höchstem Niveau bietet, durch profunde Kenntnis der Krisenliteratur besticht und zu dem Besten gehört, was auf diesem Gebiet in den letzten Jahren erschienen ist.

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Stofflicher Reichtum versus abstraktem Reichtum
Das Marxsche “Kapital” beginnt nicht mit dem Gegensatz von Kapital und Arbeit, sondern mit der “Elementarform” der kapitalistischen Gesellschaft: der Ware. Marx zeigt, dass in der Ware bereits der Grundwiderspruch angelegt ist, aus dem sich die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus im Allgemeinen und die aktuelle Krisenentwicklung im Besonderen erklären lässt. 
Es ist der Widerspruch zwischen zwei unterschiedlichen Reichtumsformen: dem stofflichen Reichtum, wie er sich in der Güterproduktion ausdrückt, und dem abstrakten Reichtum, wie er sich in der Kategorie des Werts darstellt und im Geld handhabbar wird.
Unter den Bedingungen der modernen Warenproduktion, also in der kapitalistischen Gesellschaft, wird stofflicher Reichtum immer nur produziert, soweit sich dieser auch als Wert darstellen lässt, soweit er also zur Kapitalverwertung beiträgt. Die Güterproduktion ist hier also immer nur Mittel zu einem ihr äußerlichen Zweck, dem Selbstzweck, aus Geld mehr Geld zu machen. 
Wo dieser Zweck nicht erfüllt werden kann, weil die Kapitalverwertung ins Stocken gerät, stockt auch die Produktion stofflichen Reichtums; es werden sogar Güter vernichtet, weil sie nicht verkäuflich sind, obwohl massenhaft Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Zum Beispiel müssen dann Menschen in Zelten wohnen, während ihre Häuser leer stehen, bloß weil sie ihre Kredite nicht mehr abbezahlen können.
Was kennzeichnet die Wirtschaftskrisen in der bürgerlichen Gesellschaft im Vergleich zu anderen Epochen?
Norbert Trenkle:
Prinzipiell lässt sich sagen, dass Krisen im Kapitalismus nicht aus Mangel, sondern aus Überfluss und inmitten des Überflusses entstehen. Das ist eine Grundverrücktheit, die die VWL nicht erklären kann, weil sie die abstrakte Reichtumsproduktion naturalisiert. 
Die Warenproduktion erscheint ihr als quasi-natürliche Form des menschlichen Wirtschaftens. Daher hat sie kein Auge für den inneren Widerspruch zwischen stofflicher und abstrakter Reichtumsproduktion und ist blind für die tieferen Ursachen des laufenden Krisenprozesses.

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Fiktives Kapital:
Die Zentralbanken treten selber als Marktteilnehmer auf den Geld- und Kapitalmärkten auf und häufen fiktives Kapital an. 
Die sogenannte “Geldschöpfung” besteht darin, dass die Zentralbanken den Geschäftsbanken Kredite gewähren, also Zahlungsversprechen ankaufen. Senken die Notenbanken die Zinsen für diese Kredite, dann befeuert das die Bildung von fiktivem Kapital. Die Erhöhung der Leitzinsen wirkt dagegen drosselnd. 
Diese Zinspolitik hat bei der der Überwindung der bisherigen Kriseneinbrüche in der Ära des fiktiven Kapitals eine zentrale Rolle gespielt. Auch in der schweren Krise der “New Economy” zu Anfang des Jahrtausends gelang es, die privatwirtschaftliche Akkumulation von fiktivem Kapital durch drastische Leitzinssenkungen wieder auf Touren zu bringen.





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