Dienstag, 17. März 2015

Paul Levi, ein demokratischer Sozialist


Paul Levi. Ein demokratischer Sozialist in der Weimarer Republik [Broschiert]


Charlotte Beradt  






Leseprobe:

3 Kommentare:

  1. Die Rede vor dem Reichstag zu seinem Nachruf, führte dazu, dass die Abgeordneten der KPD und NSDAP gemeinsam den Saal verließen.
    Doch wer war dieser sozialdemokratische Politiker Paul Levi, der solch gänzlich unterschiedliche Ablehnunghervorrief?
    Wie konnte es ein Mann schaffen, dass sich Kommunisten und Nationalsozialisten, ohne Worte, ‚einig’ waren?

    Ungeachtet dieses Vorfalls hielt der spätere Nobelpreisträger Carl von Ossietzky seinen selbst verfassten Text, um deutlich zu machen, welchen Eindruck Paul Levi auf seine Zeitgenossen gemacht hatte und, um ihm und sein Handeln und seine Geisteshaltung zu ehren:
    "Es ist nicht nur im Reichstag Sitte, einen Nachruf auf ein verstorbenes Mitglied stehend anzuhören. Als Herr Loebe ein paar Gedenkworte für Paul Levi sprach, erhoben sich zwei Reichstagsparteien und gingen geschlossen hinaus. Die eine hat Paul Levi mitbegründet und später geführt, die andre rechnet ihn seit je zum engsten Kreis der 'Novemberverbrecher' und ließ Dreiundzwanzig in München seinen Namen als proskribiert erklären.

    Die Kommunisten taten Unrecht, ihn einen Abtrünnigen zu nennen, die Sozialdemokraten, ihn einen Bekehrten zu nennen.
    Er war internationaler revolutionärer Sozialist aus Rosa Luxemburgs Schule, hat es nie verleugnet. Er brachte in den Schrebergarten der Reichtagsfraktion ein Fünkchen Moskauer Fegefeuer, den Brandgeruch der Oktoberrevolution.

    Levi wollte immer der Wahrheit zum Siege verhelfen, nicht einer juristischen Konstruktion. Die Juristerei, die er so glänzend beherrschte, war ihm immer nur Handwerkszeug, niemals Selbstzweck. Er war eine eigene Macht, mit seinen Widersprüchen und Irrtümern, seine eigene Fahne, und diese Fahne ist gesunken."

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  2. Die unselige Allianz der Abgeordneten, die den Plenarsaal verließen, war der Lebensleistung von Paul Levi wahrlich nicht würdig, zumal der streitbare Mann alles andere als intolerant war. Paul Levi entstammte einer bürgerlichen, eher liberalen jüdischen Familie auch Hechingen und wurde im März 1883 dort geboren. Sein Jurastudium führte ihn nach Heidelberg, Grenoble und nach Berlin, das er mit einer Promotion abschloss.
    Seit seiner Zeit als Oberschüler sah er sich selbst als Sozialisten und nach dem Abschluss des Studiums trat der der SPD bei und fühlte sich dort eher dem linken Flügel zugehörig.

    1909 ließ sich Paul Levi als Anwalt in Frankfurt am Main nieder. In Frankfurt kreuzte sich sein Lebensweg auch das erste Mal mit dem der großen Sozialistin Rosa Luxemburg, als er sie im Jahr 1914 in zwei politischen Strafverfahren verteidigte.

    Luxemburg hat entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung seines politischen Denkens gehabt. Paul Levi und Rosa Luxemburg wurden nicht nur enge politische Vertraute, zumindest im Jahre 1914 waren sie, ohne die Kenntnis ihres Umfeldes, liiert. Die Begegnung mit Rosa sollte für Paul Levis weiteres Leben entscheidende Bedeutung haben.

    Am 20. Februar 1914 wurde am Frankfurter Landgericht verhandelt. Levis Mandantin Rosa Luxemburg war nach den §§ 110 und 111 Strafgesetzbuch wegen ‚Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze’ angeklagt. Hintergrund der Anklage war eine Rede vor Frankfurter Arbeitern im September 1913, in der sie ausgerufen hatte: 
    "Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffe gegen unsere französischen oder anderen Brüder zu erheben, dann rufen wir: Nein, das tun wir nicht!" 
    Die Staatsanwaltschaft sah in diesen Worten ein ‚Attentat auf den Lebensnerv unseres Staates’, die Armee.

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  3. Den Gerichtssaal nutzte Rosa Luxemburg für eine große Rede, in der sie den Militarismus des Kaiserreichs anprangerte und die Ablehnung eines Krieges durch die Arbeiterschaft begründete. Levi konnte nicht verhindern, dass das Gericht sie schließlich wegen Verstoß gegen § 110 StGB zu einem Jahr Gefängnis verurteilte. Eine sofortige Inhaftierung der Verurteilten war jedoch nicht erfolgt.

    Oft gemeinsam mit Paul Levi sprach sie in der Folge auf Veranstaltungen im ganzen Reich gegen den drohenden Krieg. Auf einer Volksversammlung in Freiburg am 7. März 1914 wies sie in drastischen Worten auf die alltäglichen schweren Misshandlungen von Rekruten in der Armee hin. Der preußische Kriegsminister sah die Truppe durch diese Äußerung‚ beleidigt und öffentlich verächtlich gemacht’ und stellte Strafantrag.

    Mit der Anklage hatte der Kriegsminister Rosa Luxemburg so unbeabsichtigt die Möglichkeit eröffnet, für ihre Behauptung den Wahrheitsbeweis anzutreten. Über die sozialdemokratische Presse wurden ehemalige Soldaten dazu aufgerufen, sich als Zeugen zu melden, wenn sie etwas über Misshandlungen während ihrer Militärzeit berichten könnten. Insgesamt sollen so etwa 30.000 Fälle die Aussagen von Rosa Luxemburg untermauert haben.

    Durch die Fülle des Materials und die Aussicht, im Prozess mit den verschwiegenen Wahrheiten über die Praktiken in der Armee öffentlich bloßgestellt zu werden, knickte die Armeeführung ein. Der Prozess wurde zunächst vertagt, und später nicht weiter fortgesetzt. Rosa Luxemburg trat wenig später ihre Haftstrafe aus dem ersten Prozess an.

    Nach Kriegsausbruch reiste Paul Levi umher und versuchte, die Parteibasis gegen die Unterstützung der Kriegspolitik durch die SPD-Reichstagsfraktion zu mobilisieren. Als Soldat eingezogen, gelang es ihm, wegen Krankheit entlassen zu werden. Er lebte dann eine Zeit lang in der Schweiz, wo er mit Lenin und Trotzki in Kontakt stand.

    Gemeinsam mit Rosa Luxemburg gehörte er 1918 zu den Gründern des Spartakusbundes, der neben der sofortigen Beendigung des Krieges auch eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus propagierte. Der Gründung der KPD am 30. Dezember 1918 stand Levi nüchtern bis skeptisch gegenüber. Auf dem Gründungsparteitag erlitt er auch eine erste politische Niederlage. Gegen seinen und Rosa Luxemburgs Willen beschlossen die Mitglieder, sich nicht an den Reichstagswahlen zu beteiligen, sondern unmittelbar auf den Sturz der parlamentarischen Republik hinzuarbeiten.

    Diese gewollte Zerschlagung der gerade entstandenen Republik war so gar nicht im Sinne Levis, er wollte die parlamentarische Auseinandersetzung, die gesellschaftliche Debatte. Ferner lag sein Augenmerk nicht ausschließlich auf der Arbeiterschaft, für ihn war der Sozialismus ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs. Diese Ansicht und seine intellektuelle, pointierte Redeweise brachten ihm nicht nur Freunde in der neu gegründeten Partei. In der Nacht vom 15. zum 16. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Angehörigen eines Freicorps ermordet. Paul Levi war zu diesem Zeitpunkt inhaftiert. Vielleicht rettete ihm dieser Umstand das Leben.

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