Dienstag, 24. März 2015

Rassismus Report 2014







„Terror-Moslems, scheissmuselmanisches Dreckspack “,
„Friede existiert erst dann, wenn Juden komplett verschwinden… Hitler hat eindeutig zu wenig gemacht“ und
„Zigeunerbanden“, die „alles an sich reißen, was nicht niet- und nagelfest ist“ :

Diese und andere abwertende Bezeichnungen wurden vergangenes Jahr besonders häufig gegen MuslimInnen, JüdInnen sowie Roma/ Romnija gerichtet. Ebenso in ein schlechtes Licht wurden AsylwerberInnen gerückt, so etwa von einem Politiker, der sie als „Erd- und Höhlenmenschen“ bezeichnete.
Besonders dominant dabei – auch in Medien und sozialen Netzwerken – war der Generalverdacht, unter den MuslimInnen gestellt wurden. Allein die Anzahl der rassistischen Vorfälle gegenüber als MuslimInnen wahrgenommenen Personen hat sich seit August 2014 nahezu verdoppelt, diese Vorfälle fallen somit zeitlich zusammen mit der Verbreitung der Gräueltaten der IS/ ISIS über das Internet. Die Übergriffe reichen von verbalen Attacken in Parks und öffentlichen Verkehrsmitteln, über tätliche Angriffe, Vandalismus gegen Einrichtungen bis hin zu Hetze und Morddrohungen im Netz.

Dabei war klar ein Zusammenhang zwischen aktueller Berichterstattung, politischen Reaktionen und darauffolgenden rassistischen Übergriffen erkennbar, angefacht von Parolen etwa der Pegida, die vor einer „Islamisierung des Abendlandes“ warnt. Strafandrohungen der Politik gegen „Integrationsunwilligkeit“ haben zur Verfestigung von Vorurteilen, zur Spaltung der Gesellschaft und letztendlich zu Rassismus beigetragen. Mit der „Angst vorm Feind in den eigenen Reihen“ wurde allerlei politisches Kleingeld gemacht – die Leidtragenden waren (und sind) Personen, die einer dieser Gruppen zugeordnet wurden und damit Opfer von negativen Zuschreibungen und sogar fiesen, heimtückischen Attacken wurden.

Die anlässlich einer drohenden Terrorgefahr gestarteten Initiativen zur „De-Radikalisierung“ richten sich dementsprechend vorwiegend an Personen, die (oder deren Eltern) nicht österreichischer Herkunft sind. Diese Maßnahmen werden medial als Programme gegen den islamischen Extremismus verkauft und von Sicherheitspaketen und einer Materialaufstockung gegen Terroreinsätze flankiert.
Von Aktivitäten, die langfristig gegen die voranschreitende Zersetzung des demokratischen Wertekatalogs geeignet wären, ist nichts zu hören, auch nichts von Maßnahmen, die dem ganzen Spektrum der radikalen Szene Paroli bieten oder MitläuferInnen zumindest eine Ausstiegsoption bieten könnten.
Aus der Perspektive von ZARA als Stelle, die seit 15 Jahren Personen berät, die systematisch diskriminiert werden, möchten wir dazu folgendes betonen: Wer sich ständig unerwünscht und abgelehnt fühlt und den Eindruck hat, ohne Grund nicht dieselben Chancen und Möglichkeiten zu haben, versucht womöglich etwas Anderes und macht sich auf die Suche nach einem Ort, an dem er/sie diese Ausgrenzung nicht mehr erleben muss und so etwas wie „Zugehörigkeit“ erfährt. Und das können eben auch radikalisierende Bewegungen sein. Dass die Regierung das verstanden hat, zweifeln wir angesichts dieser Reaktionen ernsthaft an und fordern sie auf, endlich entsprechende Programme und Maßnahmen zu unterstützen, die der fortschreitenden rassistischen Spaltung der Gesellschaft ernsthaft entgegenwirken können.


Doch Erfreulicherweise tut sich etwas:


Angestoßen durch die erste universelle Menschenrechtsprüfung Österreichs
durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (s. ZARA Rassismus Report 2010, ab S. 55) wird bis zum kommenden Sommer ein Nationaler Aktionsplan Menschenrechte entstehen.

Hass-Postings auf den eigenen Facebook-Seiten haben Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz sowie Frauen- und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek aufgerüttelt und zu einer konkreteren Auseinandersetzung mit dem Thema Hass im Netz veranlasst.
Und nicht zuletzt die beschämend geringe Anzahl an Verurteilungen wegen Verhetzung hat dazu beigetragen, dass Justizminister Wolfgang Brandstetter eine Novellierung des offensichtlich schwer interpretierbaren Paragrafen § 283 des Strafgesetzbuches ins Auge gefasst hat und im Herbst beim „Gipfel gegen Hass und Hetze“ eine Arbeitsgruppe dazu einberufen hatte.


Claudia Schäfer, Geschäftsführerin und Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit:
Die Attentate der vergangenen Jahre wie im norwegischen Utoya, die Mordserie an MigrantInnen in Deutschland oder die jüngsten Anschläge gegen KarikaturistInnen und JüdInnen in Frankreich, Belgien und Dänemark richten sich klar gegen die Werte, für die wir eintreten: Demokratie, Menschenrechte und eine anti-rassistische Haltung. Es gilt deshalb gerade jetzt zu verhindern, dass Personen weiterhin gegeneinander aufgestachelt werden, die bislang weitestgehend friedlich zusammenleben konnten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Furcht, Sprachlosigkeit und rassistische Hetze unsere Gesellschaft zerstören!
Dina Malandi und Lilian Levai, ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus:
Immer wieder berichten Betroffene, dass sie sich nicht nur von den Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen verletzt fühlen. Das Gefühl nicht erwünscht und von der eigenen Umgebung und Gesellschaft abgelehnt zu werden, verstärkt sich dadurch, dass andere Anwesende oft nicht eingreifen bzw. sich niemand für sie einsetzt. Das zeigt uns, wie wichtig es ist, dass jeder und jede Einzelne im Kampf gegen die Verbreitung von Hetz- und Hassreden aktiv werden muss und sich mit den betroffenen Personen – auch öffentlich – solidarisch zeigt.

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1 Kommentar:

  1. Information zu den einzelnen Bereichen und ihren Bezeichnungen:
    • Unter Öffentlicher Raum sind alle Vorfälle bezeichnet, die sich an öffentlichen und der Allgemeinheit zugänglichen Orten zugetragen haben, wie beispielsweise Straßen, Plätzen, Verkehrsflächen und Parks.
    • Internet listet alle Fälle, die im Internet stattgefunden haben. Es schließt Webseiten, Online-Foren, soziale Netzwerke und Blogs mit ein.
    • Politik und Medien schließt alle rassistischen Vorfälle ein, die entweder von PolitikerInnen selbst oder von Parteien und ihren Organen und von den klassischen Medien (Print, Radio und Fernsehen) generiert wurden.
    • Beschmierungen zeigt alle gemeldeten Fälle rassistischer Beschmierungen im öffentlichen und halböffentlichen Raum wie beispielsweise in Parkhäusern auf.
    • Polizei umfasst alle Meldungen, die in irgendeiner Form mit der Sicherheitsverwaltung und Organen der öffentlichen Sicherheit zu tun haben.
    • Unter Sonstige Behörden sind alle Vorfälle gesammelt, die sich zwischen Einzelpersonen und Behörden (mit Ausnahme der Polizei) bzw. deren VertreterInnen zugetragen haben. Dazu zählen Ämter, Schulen und andere kommunale Einrichtungen.
    • Beschäftigung und UnternehmerInnentum beinhaltet Vorkommnisse, die im weitesten Sinne mit Arbeit und Beschäftigungsverhältnissen zu tun haben, also Arbeitsmarkt, -suche, -bedingungen, -klima, Stellenausschreibungen usw.
    • Zugang zu Gütern und Dienstleistungen bezeichnet erstens Vorfälle im Wohnbereich – von der Wohnungssuche bis zu Nachbarschaftskonflikten. Zweitens finden sich in diesem Bereich alle Vorkommnisse in und beim Zugang zu Lokalen, Geschäften und anderen Dienstleistungsunternehmen (außerhalb des Bereiches Arbeit).
    • Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit bezeichnet jene Briefe, E-Mails, Anrufe und anders geäußerte Drohungen, Beschimpfungen und Einschüchterungen, die sich gegen ZARA und andere Institutionen richten, die gegen Rassismus eintreten.

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