Sonntag, 22. November 2015

Piketty kurz & kritisch





Piketty kurz & kritisch:
Eine Flugschrift zum Kapitalismus im 21. Jahrhundert

Broschiert – von Joachim Bischoff (Autor), Bernhard Müller (Autor)


Joachim Bischoff ist Mitherausgeber der Zeitschrift Sozialismus und Autor der Flugschrift finanzgetriebener kapitalismus (VSA: 2014). Bernhard Müller ist Redakteur von Sozialismus und Autor von Erosion der gesellschaftlichen Mitte (VSA: 2013).
Der französische Ökonom Thomas Piketty ist mit seiner umfangreichen Studie zur wachsenden Ungleichheit zum Bestsellerautor geworden. Pikettys Daten sind überwiegend als wegweisend für die verteilungspolitische Debatte eingeschätzt worden.

Innerhalb des gesellschaftskritischen Spektrums hierzulande gibt es allerdings eine merkwürdig zurückhaltende Resonanz. Es dominiert der Vorbehalt, der Autor argumentiere 'nie antikapitalistisch'. Die gern bemühte Attitüde, jeder Linke wusste ja schon immer, dass es im Kapitalismus ungerecht zugeht, ist allerdings wenig mit empirischen Fakten untermauert.
Dagegen markieren die von Piketty und seinen Kollegen vorgelegten Daten zu Vermögen, Vermögensverteilung und Volkseinkommen eine Zäsur in der gesellschaftspolitischen Debatte – bei allen kritischen Einwänden im Detail. Der weitaus größere Teil der Menschheit besitzt nichts, höchstens Schulden.

Nach einer aktuellen Untersuchung der US-amerikanischen Zentralbank FED hielt die untere Hälfte der US-Haushalte nur 1% des Vermögens, während es 1989 noch 3% gewesen waren. Dagegen stieg der Anteil der reichsten 5% in den Jahren 1989 bis 2013 von 54 auf 63%. Die herrschenden Eliten sind darüber irritiert, dass die Ungleichheit wiederum ein Maß wie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erreicht hat.

1914 existierte eine Reichtumskonzentration wie 1789. 'Das Versprechen der Französischen Revolution hatte sich als Täuschung erwiesen, jedenfalls was die Gleichheit angeht, und ein großer Teil meiner Untersuchung besteht in der Frage, was letztendlich an diesem Versprechen nicht funktionierte. und ob heute, nach all den Erschütterungen des 20. Jahrhunderts, nicht das Risiko besteht, dass man sich einem im Grunde wenig davon abweichenden Grad der Ungleichheit nähert.'
Wenn dem so ist, stellt sich die Frage nach den Entwicklungsperspektiven oder dem Ende des Kapitalismus. Damit ist zugleich das Problem aufgeworfen, ob diesmal eine zivilisatorische Anpassung möglich ist oder das Ganze in einer erneuten Katastrophe enden wird.



2 Kommentare:

  1. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Dies ist die zentrale These der Veröffentlichung von Thomas Pikettys »Das Kapital im 21. Jahrhundert«.
    Das Buch erschien zuerst 2013 in Frankreich bei Le Seuil (»Le Capital au XXIe siècle«), 2014 folgte die englische Ausgabe (»Capital in the 21st Century«) bei Harvard University Press, im Oktober 2014 erschien im Verlag C.H. Beck die deutsche Ausgabe unter dem Titel »Das Kapital im 21. Jahrhundert« (im Folgenden zitiert als Piketty 2014a).

    Er vertritt darin die These, die Ungleichheit der Vermögensverteilung nehme im Kapitalismus stetig zu. Die Kapitalrendite sei auf längere Sicht höher als das Wachstum der Wirtschaft und überfl ügle den Zuwachs des Arbeitseinkommens. Dadurch würden reiche Kapitalbesitzer immer reicher und die Vermögen immer stärker in wenigen Händen konzentriert – letztlich werde dadurch die Demokratie gefährdet.

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  2. Der französische Ökonom Thomas Piketty beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit dem von Anthony Atkinson und Emmanuel Saez geprägten Feld der Verteilungsverhältnisse in den kapitalistischen Gesellschaften.

    Die zusammenfassende Darstellung in »Das Kapital im 21. Jahrhundert« hat einen Bruch mit den überlieferten
    Bewertungen und gesellschaftlichen Sichtweisen ausgelöst. Die »Piketty-Debatte«, so die Bewertung des US-Ökonomen Paul Krugman, läuft auf eine »Revolutionierung unserer Auffassungen von den langfristigen Trends in Sachen Ungleichheit« (Krugman 2014: 71) hinaus.
    Dies heiße nicht, dass mit Piketty alle methodischen und empirisch-theoretischen Fragen der modernen Verteilungsstrukturen gelöst seien, sondern: »Über Reichtum und Ungleichheit werden wir nie mehr sprechen so wie vorher.« (Ebd.: 81)
    Diese Umwälzung eines wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurses ist das Resultat einer Präsentation des aktuellen Zustandes des historischen Wissens soweit es die Dynamik der Verteilung des Reichtums und der Einkommen seit dem 18. Jahrhundert betrifft.
    Das Schlüsselthema von Pikettys Untersuchungen ist die Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung. Er will die Gründe der sozio-ökonomischen Entwicklung aufdecken, die den modernen Kapitalismus mehr und mehr mit einer oligarchischen Gesellschaftsstruktur ausstatten.

    Die wachsende soziale Kluft zwischen Reichtum und Armut ist ein bereits seit Längerem bekanntes und auch im öffentlichen Diskurs behandeltes Phänomen. Was sind die Gründe dafür, dass Pikettys umfangreiche Darstellung nun eine so außergewöhnliche Aufmerksamkeit auf dem Büchermarkt, in der Wissenschaft sowie in
    der Öffentlichkeit und in der Politik gefunden hat?
    Wir sehen zunächst drei Aspekte, die möglicherweise erklären können, warum Pikettys Darstellung der sozialen Kluft von Reichtum und Armut eine außergewöhnliche Resonanz hatte und hat ...

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