Samstag, 12. September 2015

Russland: Der Umbruch und das System Putin






Das neue Russland: Der Umbruch und das System Putin [Kindle Edition]

Michail Gorbatschow Boris Reitschuster Nach Jahren der Annäherung ist das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland so angespannt wie seit mehr als 25 Jahren nicht mehr. Was Putin antreibt, warum er die Konfrontation mit dem Westen sucht und den Rückfall in den Kalten Krieg in Kauf nimmt, ist vielen ein Rätsel. Nicht Michail Gorbatschow. 

Mit einzigartiger Kennerschaft beschreibt er die Entstehung des "Systems Putin" und die Absichten dieses Mannes. Unverblümt rechnet er mit Putin ab. Dieser zerstöre um seiner eigenen Macht willen die Errungenschaften der Perestroika in Russland und errichte ein System ohne Zukunft. Deshalb fordert Gorbatschow ein neues politisches System für Russland, und er mahnt den Westen, nicht mit dem Feuer zu spielen. 

Ein wichtiges, ein notwendiges Buch, das neue Blickwinkel eröffnet - und das politische Vermächtnis des großen Mannes, der die deutsche Einheit mitermöglichte.





Gorbatschow zieht bittere Bilanz
25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung zeigt sich Gorbatschow in einem Buch enttäuscht über den Gang der Geschichte. 
Von Ulf Mauder, dpa

Als einer der „Väter der Deutschen Einheit“ mag sich Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow (84) so gar nicht zufriedengeben mit dem aktuellen Verhältnis zwischen Berlin und Moskau. Überwunden sei das Erbe des Kalten Krieges auch 25 Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht, schreibt der Friedensnobelpreisträger in seinem autobiografischen Buch „Das neue Russland“, das an diesem Donnerstag (10. September) in Deutschland erscheint. Die Lösung sieht der Politiker in gemeinsamen Initiativen von Russland und Deutschland beim Aufbau eines „vereinten Europas“. Doch die Zeichen dafür stehen zumindest derzeit nicht gut.

„Anstatt sich zum Vorreiter der Veränderungen in der globalen Welt zu entwickeln, ist Europa zum Schauplatz von politischen Unruhen, Konkurrenz um Einflusszonen und einer militärischen Auseinandersetzung geworden“, schreibt der Politiker mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine. Europa habe in der Weltpolitik seine „eigene Stimme“ heute verloren, sei geschwächt und ziellos, meint der Politiker gut zwei Jahrzehnte nach seinem eigenen Machtverlust.

Die Unterstützung Jelzins sei ein Fehler gewesen, schreibt Gorbatschow

„Posslje Kremlja“ (Nach dem Kreml) heißt der 560-Seiten-Wälzer in der russischen Originalausgabe von 2014. Darin zeichnet Gorbi, wie er von vielen Deutschen vertraut genannt wird, nicht nur das eigene schmerzhafte Scheitern und den Zerfall der Sowjetunion nach. Er zieht vor allem kritische Bilanz zur Lage in Russland und in der Welt. Es ist auch eine verbitterte Abrechnung eines Politikers, der lange Zeit in der Wahrnehmung vieler Russen als eine Art „Agent“ des Westens galt und vor allem in Abrüstungsfragen auf die USA zuging, am Ende nun aber enttäuscht zurückbleibt.

Deutlich wird seine Verärgerung darüber, dass der Westen den russischen Präsidenten Boris Jelzin (1931 bis 2007) „gefährlich und bedingungslos“ unterstützt habe, jenen Mann, der jäh die Reformen von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) beendet habe. Jelzin sei es auch gewesen, daran erinnert Gorbatschow, der die Weichen gestellt habe für neue autoritäre Tendenzen in Russland – einen Kurs, den Kremlchef Wladimir Putin nach ihm fortgesetzt habe.

25 Jahre nach dem Mauerfall liegt Gorbatschow nun eher auf Kremllinie, wenn er dem Westen die Schuld an neuen geopolitischen Spannungen gibt. „Die Erweiterung der Nato erschütterte die Grundlagen der europäischen Ordnung“, lautet eine der Thesen. Länder Zentral- und Osteuropas seien als neue Mitglieder aufgenommen worden, ohne Bedrohungslage. Es gebe einen neuen Konfrontationskurs. Dagegen gehe von Russland keine Gefahr aus, beteuert er.

Nato als Weltpolizei

„Die Nato eignete sich die Funktion einer europäischen Polizei an, ja, sogar einer Weltpolizei. Angefangen hatte das bereits in der ersten Ha?lfte der 1990er-Jahre, als sich die Nato in den Konflikt im zerfallenden Jugoslawien einmischte“, schreibt Gorbatschow. Die USA seien noch immer einer Politik verhaftet, „einem Land die Demokratie mit Panzern und Bomben aufzudrängen“.

Es ist ein altgewordener und von Krankheiten geschwächter Gorbatschow, der hier anscheinend versucht, seinen Frieden mit seiner russischen Heimat zu machen. „Es ist höchste Zeit, dass der Westen versteht: Jeder Druck auf Russland bringt nichts außer Schaden“, schreibt er an einer Stelle. Präsident Putin bescheinigt er einmal mehr zwar autoritäre Tendenzen, lobt aber auch dessen „Willenskraft, Geist, Selbstdisziplin, die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und Gegenschläge durchzustehen“.

„Das neue Russland“ ist ein Mix aus aktueller Analyse, aber auch vielen alten Interviews sowie Briefen von Gorbatschows Unterstützern – ein einseitiger Rückblick auf die unter vielen Russen bis heute umstrittene Politik. Es ist aber auch ein Plädoyer für eine neue Reformpolitik in Russland – und die Warnung vor einer jahrelangen Stagnation unter Putin.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen