Samstag, 11. Juli 2015

Elmar Altvater








Elmar Altvater (* 24. August 1938 in Kamen; † 1. Mai 2018 in Berlin) war ein deutscher Politikwissenschaftler, Autor und emeritierter Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. 
Nach der Emeritierung am 30. September 2004 ist Altvater in Forschung und Lehre am Institut weiterhin aktiv. Außerdem ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac, und er war im Jahr 2006 Vorsitzender des Ständigen Volkstribunals gegen europäische transnationale Unternehmen.

Nach dem Abitur 1959 am neusprachlichen Gymnasium in Kamen studierte Altvater bis 1963 an der Ludwig-Maximilians-Universität München Ökonomie und Soziologie und wurde 1968 mit seiner Arbeit über Gesellschaftliche Produktion und ökonomische Rationalität: externe Effekte und zentrale Planung im Wirtschaftssystem des Sozialismus promoviert. Von 1968 bis 1970 war er Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Altvater wechselte danach an das Otto-Suhr-Institut (OSI) für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Hier erhielt er 1971 eine Professur für Politische Ökonomie. Altvater engagierte sich am OSI in der „Sozialistischen Assistentenzelle“, einer Denkzentrale der 68er-Bewegung in Berlin.

Im Jahre 1970 gründete er mit anderen die PROKLA Probleme des Klassenkampfs – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik, später Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, bei der er bis 2008 Redaktionsmitglied war.

Altvater trug wesentlich zur Entwicklung einer marxistisch geprägten politökonomischen Theorie bei. Er war als SDS-Mitglied (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) in der 68er-Bewegung aktiv und einer der theoretischen Köpfe des Sozialistischen Büros in Offenbach.

Neben Fragen der Entwicklungstheorie, der Verschuldung sowie der Regulierung von Märkten beschäftigt er sich auch ausgiebig mit den Auswirkungen kapitalistischer Ökonomien auf die Umwelt. Altvater war ein renommierter Kritiker der „politischen Ökonomie“ und Autor zahlreicher globalisierungs- und kapitalismuskritischer Schriften. Ein globalisierungskritisches Standardwerk ist sein Buch Grenzen der Globalisierung (1996), das er mit seiner Lebensgefährtin Birgit Mahnkopf schrieb.

Parallel zu seiner akademischen Tätigkeit war Altvater auch immer wieder gesellschaftspolitisch aktiv. Er war Gründungsmitglied der Grünen, ging jedoch nach dem Kosovo-Krieg zunehmend auf Distanz.

Elmar Altvater war Mitglied der Enquête-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten (1999–2002) des Deutschen Bundestages. Heute wirbt er für attac (Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat) und das Weltsozialforum. Wenige Tage vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 trat Altvater der Linken bei. Altvater ist Gründungsmitglied des Instituts Solidarische Moderne.

Im März 2007 veröffentlichte Altvater sein Buch über die Globalisierung "Die Grenzen der Globalisierung" zusammen mit Birgit Mahnkopf - ein 700 Seiten starkes Kompendium.

Seine Hauptthese ist, dass, während der Drang des Kapitals, seine eigenen Grenzen zu überwinden, niemals vollendet wird, der globale Kapitalismus eine bedeutende Grenze überschritten hat.

Er hat einen globalen Markt erschaffen, der die vielen Kapitalisten zunehmend dazu zwang, im Weltmaßstab direkt gegeneinander anzutreten. Der Weltmarkt wurde wirklich ein Markt. Für Altvater war der Wettbewerb zwischen - sagen wir - amerikanischen und europäischen Autos (produziert auf dem jeweiligen Kontinent) sehr beschränkt, solange die Transportkosten relativ hoch blieben und andere schützende Barrieren die jeweiligen Märkte dicht machten.

Das hat sich mit der enormen Verringerung von Transaktionskosten, also von Transport und Kommunikation, verändert - eine Entwicklung, die direkte Vergleiche zwischen den Produktionskosten in verschiedenen Ländern zugelassen hat und es außerdem erlaubt, diese zu verwenden, um Produkte zum weltweit billigsten Preis ein- bzw. zu verkaufen, ein Prozess, der als "global sourcing" bekannt ist.

Die Verzerrungen der Wirkung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt haben abgenommen. Ein Weltmarktpreis wird zur Realität. Angesichts dieser Tatsache wird die Wirtschaft auf Basis direkter Kostenvergleiche entscheiden, wo sie produziert. In diesem Sinn ist die Globalisierung kein Mythos, sondern eine Realität.

Ebenso entwickelt sich ein Weltmarkt für Finanzen, ein direkter Vergleich zwischen internationalen Möglichkeiten zur Spekulation. Schlussendlich gibt es eine Angleichung der Profitrate im Weltmaßstab.

Das bedeutet nicht, dass sich die Investitionen ausgleichen, tatsächlich - wie Altvater betont - werden sie sich mehr auf bereits bestehende produktive Zentren konzentrieren. Aber die Nationalstaaten selbst werden zu "Konkurrenten" in Bezug auf die Bereitstellung des "attraktivsten" (d.h. billigsten) Standorts für Kapitalzuflüsse.

Das ist der Grund, warum der Sozialstaat unter enormen Druck gerät, warum die Sozialsysteme zerfetzt werden. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen großen Kapitalen nimmt enorm zu, da sie nun direkt auf dem Weltmarkt konkurrieren.

Der veränderte Weltmarkt und eine internationale Angleichung der Profitrate sind die Basis für die Entwicklung von "Subjekten" der Globalisierung. Es sind dies die multinationalen Großkonzerne, welche die Arbeitsweise des Weltmarktes wirklich bestimmen - die großen multinationalen Firmen und Banken. Dieser Teil des Kapitals ist, laut Altvater, wirklich international.

Wenn sie auch noch in einem Nationalstaat ihren Sitz haben mögen, so ist das doch eine eher zweitrangige Überlegung. Es ist dieser Teil des Kapitals, der die Weltwirtschaft dominiert, der die Sozial- und Arbeitsstandards bestimmt. Institutionen wie IWF, Weltbank und WTO dienen diesem Teil mehr oder weniger direkt.

All das heißt auch, dass der Staat seine Funktion verändern muss. Als Folge der Globalisierung muss der Sozialstaat sich zu einem "Dienstleister" verwandeln, der die besten Bedingungen für die globalen multinationalen Konzerne bereit stellt.
Altvater sieht die Globalisierung als eine fürchterliche Bedrohung für die Gesellschaft und die Natur, kann sie aber nicht einfach zurückweisen, da dies bedeuten würde, gegen den Lauf der Geschichte selbst Einwände zu erheben. Er spricht sich für eine Form des globalen Reformismus oder der Regulierung der Globalisierung aus.

Für Altvater stellt die Globalisierung eine mehrfache Bedrohung dar:
• für die menschliche Gemeinschaft, durch die Zerstörung des Sozialstaates, durch die Verschärfung der Ungleichheit, usw.
• für die Umwelt, durch die ununterbrochene Jagd nach Profit
• für demokratische und bürgerliche Rechte. Globalisierung zerstört nicht nur den Wohlfahrtsstaat, sondern auch die bürgerliche Demokratie.

Also ruft er auf, Formen der internationalen Regulierung und Demokratie zu schaffen, und strebt danach, die internationalen politischen und wirtschaftlichen Institutionen zu demokratisieren - seien es die UNO, der IWF oder die Weltbank. Er verbindet dies mit den beliebten Aufrufen für eine Form internationaler "Zivilgesellschaft".

Wie wir im Kapitel über die Umwelt lesen können, endet Altvater immer in einem Widerspruch zwischen Analyse und Lösung. In diesem Kapitel weist er richtigerweise auf den zerstörerischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, den widersprüchlichen Charakter des Fortschrittes in ihr und die Tatsache hin, dass dieser Fortschritt immer von der Zerstörung der Quellen des gesellschaftlichen Wohlstandes - Mensch und Natur - begleitet wird.

Aber was ist Altvaters Antwort auf all diese Probleme? Der Kampf zum Sturz des Kapitalismus und zu seiner Ersetzung durch eine neue, auf rationaler Planung entsprechend den Bedürfnissen der Menschen basierende Gesellschaft?
Nein. Da es keine kommunistische Massenbewegung gebe, bestehe die Antwort nicht darin, in der wachsenden antikapitalistischen Bewegung und der Arbeiterklasse für eine revolutionäre Politik zu kämpfen. Die Aufgabe liegt anscheinend darin, ein trockenes reformistisches Programm zu entwerfen, an das er selbst nicht glaubt. Woraus besteht es? Aus der Tobinsteuer, einer massiven Besteuerung des Energieverbrauches und einer drastischen Verringerung der Wochenarbeitszeit.

Die Tobinsteuer soll "den Prozess der Globalisierung verlangsamen" und dadurch den globalen Wettbewerb und seine Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften verringern. Die Besteuerung des Energieverbrauchs (eine Art "ehrliche" Ökosteuer) zielt in die gleiche Richtung. Außerdem würde sie die Transportkosten erhöhen, wodurch der globale Wettbewerb, aber auch die Zerstörung der Umwelt (weniger Verkehr bedeutet weniger Verschmutzung) geringer würden. Schlussendlich würden eine Verringerung der Arbeitszeit und ein garantierter Mindestlohn für alle soziale Sicherheit und Integration garantieren, und zwar durch die Schaffung zusätzlicher Jobs und die Sicherung eines zum Leben ausreichenden Einkommens für Arbeitslose.

An dieser Stelle wird die ganze Utopie zu einer reformistischen Farce. Wie Altvater bemerkt, ist dieses Programm sehr schwer auf Basis des globalen Kapitalismus zu verwirklichen. Tatsächlich ist es sowohl utopisch als auch reaktionär. Es ist ein Versuch, den globalen Kapitalismus zu zähmen, indem die bestehende Entwicklung (ein bisschen) zurück genommen wird, anstatt dafür zu kämpfen, den Kapitalismus zu stürzen.

Quelle:
Arbeitermacht
fifthinternational.org
Wikipedia

Weitere Infos siehe:
http://www.ulrich-menzel.de/cmsimpleplus/indexc34f.html?A-B:Altvater%2C_Elmar

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