Freitag, 9. Januar 2015

Soumission - Unterwerfung






Unterwerfung: Roman
Gebundene Ausgabe – von Michel Houellebecq  (Autor)
Michel Houellebecq wurde 1958 auf La Réunion geboren und wuchs bei seinen Großeltern in Crécy-La-Chapelle auf.

1980 erhielt er sein Diplom als Agraringenieur, danach arbeitete er im Informatik-Bereich.
Houellebecq veröffentlichte zunächst Gedichtbände, für die er bald mit Preisen ausgezeichnet wurde. 1992 wurde ihm der Prix Tristan Tzara für »Suche nach Glück«, 1996 der Prix de Flore für »Der Sinn des Kampfes« verliehen. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit seinem ersten Roman »Ausweitung der Kampfzone«.

Sein zweiter Roman, »Elementarteilchen«, erschien im Herbst 1998 und wurde noch im gleichen Jahr mit dem angesehenen Prix Novembre und dem Prix du Meilleur Livre de l'Année des Literaturmagazins »Lire« ausgezeichnet. Der visionäre Gesellschaftsroman erschien in über 25 Übersetzungen und wurde zum viel diskutierten Kultbuch.

Im Jahr 2000 erschienen die satirische Reiseerzählung »Lanzarote« und die Miszellaneensammlung »Die Welt als Supermarkt«. 2002 folgten ein Essay über den amerikanischen Autor H.P. Lovecraft, »Gegen die Welt, gegen das Leben«, und der Roman »Plattform«. 2009 wurde sein Briefwechsel mit Bernard-Henri Lévy, »Volksfeinde«, und 2010 die Essaysammlung »Ich habe einen Traum« veröffentlicht. 2011 erschien der Roman »Karte und Gebiet«, für den Michel Houellebecq mit dem renommiertesten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet wurde. Zuletzt veröffentlichte der DuMont Buchverlag 2014 den Gedichtband »Gestalt des letzten Ufers« und 2015 den Roman »Unterwerfung«.



Präsentation des Buches durch den Verlag:

Welches Buch könnte besser in unsere Zeit passen als dieses?

Goncourt-Preisträger Michel Houellebecq erzählt in Unterwerfung die Geschichte des Literaturwissenschaftlers François. Der Akademiker forscht im Frankreich einer sehr nahen Zukunft zu dem dekadenten Schriftsteller Huysmans, der ihn sein Leben lang fasziniert.
Zugleich verfolgt er die Ereignisse um die anstehende Präsidentschaftswahl: Während es dem charismatischen Kandidaten der Bruderschaft der Muslime gelingt, immer mehr Stimmen auf sich zu vereinigen, kommt es in der Hauptstadt zu tumultartigen Ausschreitungen.
Wahllokale werden überfallen, Autos brennen auf den Straßen. Als schließlich ein Bürgerkrieg unabwendbar scheint, verlässt François Paris ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen.
Es ist der Beginn einer Reise in sein Inneres. Unterwerfung handelt vom Zusammenprall der Kulturen und stellt Fragen zum Verhältnis von Orient und Okzident, von Judentum, Islam und Christentum Fragen, die heute so relevant sind wie nie.
Michel Houellebecq präsentiert sich als furchtloser Gesellschaftsdenker, der die bestimmenden Spannungsverhältnisse unserer Epoche mit großer Ernsthaftigkeit und zugleich mit virtuoser Ironie ausdeutet.


Kommentar im Standard

Houellebecq: Ein Nihilist und seine provokante Vision des Islam
STEFAN BRÄNDLE AUS PARIS / 2015.01.06
Autor sorgt mit Buch über einen islamischen Präsidenten Frankreichs schon vor Veröffentlichung für Wirbel

Die Fans von Michel Houellebecq erhalten Verstärkung – und zwar von rechts. Ihr Idol habe "in den Ameisenhaufen getreten", frohlockt etwa "Riposte laïque" ("laizistische Antwort"), die wie auch andere identitäre Bewegungen vor einem "Eurabia" warnt.

Eurabia – so könnte auch Houellebecqs neuer Roman heißen, doch dessen Titel ist "Soumission", und das bedeutet auch so wie der Begriff Islam: Unterwerfung. Der 58-jährige Goncourt-Preisträger beschreibt darin den Sieg des fiktiven Mohammed Ben Abbes bei der französischen Präsidentschaftswahl 2022. In der Stichwahl unterstützen Bürgerliche und Linke den Kandidaten gegen die Rechtsextremistin Marine Le Pen.

Dieses explosive Szenario hatte der Verlag Flammarion schon Ende 2014 durchsickern lassen, um das Buch ins Gerede zu bringen. Dank einer Raubkopie lässt sich die Fortsetzung des Plots bereits am PC lesen, noch bevor die 300 Seiten am Mittwoch auf Französisch und eine Woche später auf Deutsch erscheinen.

Islamisierung Frankreichs

Ben Abbes wird als "gemäßigter Muslim" geschildert, der dank saudischer Geldgeber bald ganz Frankreich islamisiert. Die Sorbonne wird zur "islamischen Universität"; ihre lesbische Direktorin wird entlassen, die Forscher und Dozenten – darunter die Romanhauptfigur François – müssen konvertieren oder abtreten. In beiden Fällen werden sie mit Ölgeldern fürstlich entschädigt.

François’ jüdische Freundin Myriam wandert nach Israel aus; die anderen Frauen tragen bald Kopfschleier; die meisten geben ihren Job auf und kümmern sich um Haushalt und Kinder. Die offizielle Arbeitslosigkeit sinkt dadurch massiv – was Ben Abbes’ bereits vergessener Vorgänger François Hollande nie schaffte.

Der dekadente Westen

Houellebecq beschreibt die Vorgänge zumeist völlig lakonisch. Als Nihilist hält er den Westen für zu schwach, zu dekadent, zu defätistisch, um dem Islam etwas entgegenzusetzen. Das auf 15 Jahre gesenkte Heiratsalter in Frankreich oder die Sexabenteuer seines Protagonisten François mit diversen Maghrebinerinnen geben Houellebecq Anlass, genüsslich mit den Themen Pädophilie und Polygamie zu spielen. Fast ebenso viel Vergnügen bereitet es ihm, den Islamisten und westlichen Wertkonservativen das gleiche – reaktionäre – Frauenbild zu unterstellen.

Houellebecq bloß Islamophobie vorzuwerfen wäre verfehlt: In der Verwirrung seiner Gefühle hegt er Faszination für das Rollenbild häuslicher Musliminnen. Mehr noch, er lässt die zum Islam bekehrte Romanfigur Robert Rediger – eine Verballhornung des real existierenden Islamistengegners Robert Redeker – den Kernsatz des Romans sagen, "dass der Gipfel des menschlichen Glücks in der absoluten Unterwerfung liegt".

Fiktion versus Realität

Raffiniert verwebt Houellebecq Fiktion mit politischer Realität. 2002 hatten Bürgerliche und Linke tatsächlich gemeinsam Jacques Chirac unterstützt, um Jean-Marie Le Pens Wahlsieg zu verhindern. Ein Mohammed Ben Abbes wäre im Élysée-Palast aber undenkbar, weil heute unter den französischen Spitzenpolitikern kein einziger Muslim ist. Das sagt viel über die hermetische Pariser Elite.

Houellebecq nimmt die Ängste einer Gesellschaft auf, die in einer tiefen Krise steckt. Alain Finkielkraut lobt Houellebecqs Visionen als "zwar unsicher, aber durchaus plausibel". Wenn die Medien und Politiker die "Überfremdung" durch Immigration in Abrede stellten, dann müsse eben die Literatur davor warnen, meint der konservative Philosoph.


Laurent Joffrin, Chefredakteur der linken Libération, sieht in dem Werk "den Einbruch oder die Rückkehr rechtsextremer Thesen in die Hochliteratur". Und der Islamexperte Abdennour Bidar belehrt Houellebecq, dass Islam nicht bloß Unterwerfung bedeute, sondern auch Hingabe und Annahme:
"Wenn der Mensch im Koran ein ‚Diener Gottes‘ ist, dann nicht im Sinn eines Sklaven, sondern als Agent der Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und göttlichen Schöpfungskraft."
Für das Enfant terrible der französischen Literatur könnte diese Präzisierung aber wohl zu subtil gewesen sein.


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