Montag, 30. März 2020

Unangenehme Notiz


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Österreichisches Tagebuch - Nummer 20 - 31. Mai 1947
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Viktor Matejka:
Was jeder Schulbub wusste – und andere unangenehme Notizen (...)
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Autospekulanten
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Der Oesterreichische Automobil-, Motorrad- und Touring-Club wandte sich an die Öffentlichkeit mit der Aufforderung, daß sich die geschädigten Volkswagensparer zur Entschädigung ihrer Ansprüche melden sollten. In ganz kurzer Zeit hatten sich über achttausend ehemaliger
Volkswagensparer gemeldet.
Ungefähr 70 Prozent hatten bereits je 990 Mark eingezahlt, die somit einer Fast-Tausend-Mark-Sperre verfielen, nachdem zuvor einer Tausend-Mark-Sperre ganz Oesterreich
zum Opfer gefallen ist.
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So verständlich es sein mag, daß die Volkswagensparer heute enttäuscht sind, so abwegig ist der Gedanke, sie entschädigen zu wollen, da ganz andere Kategorien von Opfern des Naziregimes nicht einmal im entferntesten entschädigt worden sind.

Von denen, die in den Gefängnissen und Konzentrationslagern bis zu sieben Jahren gesessen sind, hat noch kein einziger etwa einen Verdienstentgang für seine Haftjahre bekommen.
Von anderen Entschädigungen wie für Gesundheit und sonstiges Eigentum kann auch noch nicht berichtet werden, so daß alle bisher geleisteten Entschädigungen in keiner Weise den wirklichen Schäden von kämpfenden Opfern und Verfolgten des Naziregimes auch nur annähernd entsprechen.
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Und in einer solchen Zeit wagt man es, an Entschädigungen für solche Leute zu denken, denen das Dritte Reich gerade gut genug war, endlich zu einem Auto zu kommen, während Millionen Menschen ihr Leben lassen mußten.
Im Gegenteil, man sollte diese Autospekulanten des Dritten Reiches auf lange Zeit von dem Besitz eines Autos ausschließen.
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https://tagebuch.at/kultur/unangenehme-notiz
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Viktor Matejka
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