Mittwoch, 1. Juni 2016

Kapital Macht Politik: Die Zerstörung der Demokratie





Kapital Macht Politik:
Die Zerstörung der Demokratie

Broschiert – von Harald Trabold

Trabold ist als Berater für verschiedene UN-Organisationen, die Europäische Kommission und das Wirtschaftsministerium tätig gewesen und publiziert zu den Themen Globalisierung und Finanzkrise. Diese Rezension würdigt sein 2014 erschienenes Buch "Kapital macht Politik", das vom Verlag auch "Kapital Macht Politik" genannt wird. Es ist ein wichtiges, ein richtiges Buch.
Trabolds Schreibstil ist klar verständlich und sehr gut lesbar. Man kann die 450 Seiten in einem Zug lesen, dazu kommen rund 100 Seiten Quellenangaben, die vom Fleiß des Autoren sprechen.
Prof. Dr. Harald Trabold, geboren 1958, Studium der VWL in Regensburg und Boulder (USA), danach für die KfW (Frankfurt) und UNCTAD (Genf) tätig.
Von 1990 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Berlin, Forschungsschwerpunkt Globalisierung.
1998 Promotion an der FU Berlin und Visiting Scholar am MIT (USA).
Seit 2005 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Osnabrück. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Globalisierung, Finanzkrise etc. Beratungstätigkeit für verschiedene UN-Organisationen, Europäische Kommission etc.
Seit 2011 Leiter des als Reaktion auf die Finanzkrise neu konzipierten Studiengangs Angewandte Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Osnabrück.


Die Macht des Volkes ist längst zu einer Phrase in Sonntagsreden verkommen. In den westlichen Demokratien herrscht nicht mehr das Volk, sondern das Kapital. Politiker regieren die Bürger, aber Finanzmärkte und Großkonzerne regieren die Politik.

Lobbyisten steuern die Gesetzgebung zum Wohl der Großkonzerne, PR-Agenturen machen Kapitalismus-Propaganda, die Unterhaltungsindustrie stellt das Volk ruhig und das Bildungssystem erzieht ökonomisch verwertbaren Nachwuchs. 
Doch stehen wir auf verlorenem Posten?

Harald Trabold demonstriert, wie wir Bürgerinnen und Bürger unsere eingebüßte Macht zurückerobern können. Dafür müssen wir jedoch bereit sein, uns in neuer Freiheit gegen die Herrschaft der Konzerne und Reichen zu behaupten und den Kapitalismus in die Schranken zu weisen.
Noch ist es nicht zu spät!

5 Kommentare:

  1. Der Verlag schreibt als Geleitwort: Die Macht des Volkes ist längst zu einer Phrase in Sonntagsreden verkommen. In den westlichen Demokratien herrscht nicht mehr das Volk, sondern das Kapital. Politiker regieren die Bürger, aber Finanzmärkte und Großkonzerne regieren die Politik. Lobbyisten steuern die Gesetzgebung zum Wohl der Großkonzerne, PR-Agenturen machen Kapitalismus-Propaganda, die Unterhaltungsindustrie stellt das Volk ruhig, und das Bildungssystem erzieht ökonomisch verwertbaren Nachwuchs.

    Das umreißt die Themen und zeigt ihre Wichtigkeit. Das Buch liefert die Argumente, die angesichts der Steueroasen-Diskussion gebraucht werden. Wo die Vermögen nach Panama ausgeflaggt werden, haben viele Menschen den (Panama-)Kanal voll.

    Trabold zeigt ihnen auf, was Kapitalismus bedeutet, nämlich etwas anderes als Martkwirtschaft, und wie als Kollateralschaden die Demokratie entmachtet wird. Diese Entmachtung ergibt sich als Nebenziel der Gewinnorientierung. Sie erfolgt weitgehend indirekt, langsam und beinahe geräuschlos. Sie wurde daher bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen (der gesperrte Text stammt aus der Leseprobe auf der Verlagsseite).
    http://www.wissenbloggt.de/go.php?http://www.tectum-verlag.de/cms/tl_files/Zusatzinfos/Leseproben/Tectum_Leseprobe_Trabold_Kapital-Macht-Politik.pdf

    Ziel des Kapitalismus und treibende Kraft der Entmachtung ist das Geldverdienen um des Geldverdienens willen. Die Unterordnung unter dieses Leitmotiv führt zu einem gleichgerichteten Verhalten aller vom Geist des Kapitalismus beseelten Institutionen. Um möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen zu können, versuchen die Kapitalbesitzer, die dafür besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu bedarf es keiner zentralen Steuerung oder gar einer Verschwörung.

    Verheimlicht wird nur die logische Konsequenz des Gewinnstrebens – die Entmachtung der Demokratie. Alles andere wird öffentlich diskutiert und kommuniziert, sowohl das Gewinnmotiv als auch Strategie und Taktik zur Erzielung von Profiten.

    Zum Big Business kommt das Big Government: Zum anderen sind es die Politiker, die sich vom Volk nur bedingt in die Ausübung ihrer Ämter hineinreden lassen wollen.

    Rezensent Wilfried Müller

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  2. Die Gegenbewegung ist eine kleine Gruppe unbeugsamer Demokraten. … Hin und wieder gelingt es dieser Gruppe, das Volk zu überzeugen, Regierungen zu wählen, die den Kapitalismus wenigstens zeitweise in seine Schranken weisen und die den Primat der Politik vor der Wirtschaft durchzusetzen versuchen. Auch verzeichnen die unbeugsamen Demokraten so manchen Erfolg bei der Einführung von Elementen der direkten Demokratie, z. B. Volksentscheiden.

    Der Kapitalismus hat jedoch ein ausgefeiltes Arsenal an Mitteln entwickelt, um den Volkswillen zu beeinflussen. Durch die Globalisierung und die damit verbundene Kapitalmobilität hält er zusätzlich noch ein äußerst wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung seiner Interessen und zur Zähmung widerspenstiger Regierungen in der Hand. Insofern waren die Anstrengungen der unbeugsamen Demokraten in den letzten Jahrzehnten kaum von Erfolgen gekrönt.

    Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen erhöht die steigende Komplexität technischer und sozialer Systeme den Aufwand, sich sachkundig zu machen. Ein fundiertes Urteil können sich die meisten Bürger, auch aus zeitlichen Gründen, nur über wenige Sachthemen bilden. Als Folge erscheinen viele dieser komplexen Themen nur unzureichend in der öffentlichen Diskussion, der Grundlage jeder demokratischen Entscheidung. Schlimmer noch: Finanzkräftige Interessengruppen, die unter dem Deckmantel neutraler Stiftungen oder gemeinnütziger Vereine agieren, können die öffentliche Meinung bei komplexen Themen relativ leicht in ihrem Sinne beeinflussen.

    Zweitens kann auch die abnehmende Bindung an die christlichen Religionen als Vorteil für den Kapitalismus gesehen werden, weil er seine diesseitigen materialistischen Werte gegen die jenseitigen altruistischen und spirituellen Werte durchsetzen konnte.

    Diese einleitenden Aussagen deuten darauf hin, dass die Entmachtung der Demokratie durch den Kapitalismus ein äußerst komplexer und nicht unmittelbar einsichtiger Prozess ist. Er vollzieht sich weder direkt noch automatisch noch ohne Gegenkräfte. Die Entmachtung erfolgt relativ langsam, gleichsam evolutionär, und mit Hilfe einer Vielzahl von Faktoren, die für sich allein genommen der Demokratie nicht bedrohlich werden könnten. Erst im Verbund miteinander entfalten sie die Schlagkraft, die es dem Kapitalismus ermöglicht, die Demokratie für seine Zwecke mehr und mehr zu instrumentalisieren.

    Rezensent Wilfried Müller

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  3. Grundlegendes

    Worum es geht – Das uneingelöste Versprechen, so sind diese Vorab-Teile betitelt. Im Teil I: Grundlegendes geht es um Demokratie und die Macht des Volkes: Die Entwicklung hin zu einer geheimen und allgemeinen Wahl stellt wohl den größten Rückschlag für die Reichen bei der Zähmung der Demokratie dar. Und um die Lobbys: Lobbyarbeit in den Parlamenten tritt an die Stelle von Diskussion und Willensbildung im Volk.

    Für die erfolgreiche Machtübernahme müssen die Rechte der Demokratie gar nicht direkt eingeschränkt werden. Es reicht schon die passende Regelsetzung bzw. Deregulierung. Die Bürger sind mit Schuld, wenn sie ihre Marktmacht nicht oder falsch nutzen. Wer hohe Zinsen für sein Erspartes fordert (das Buch wurde vor der Nullzins-Zeit geschrieben), braucht sich nicht zu wundern, wenn Unternehmen auf hohe Rendite aus sind und seinen Lohn kürzen.

    Damit ist die Grundlage beim Kapitalismus angekommen, der so definiert wird: Kapitalakkumulation durch den Einsatz formell friedlicher Mittel. Kapitalist wäre demnach jeder, der sein Geld verzinsen lässt. Er muss ja wissen, dass die Bank seine Zinsen erwirtschaftet, indem sie Geld an Unternehmen verleiht, die das Geld zum Zweck der Akkumulation investieren.

    Trabold greift diese Position aber an, weil sie die Kapitalismus-Vorwürfe automatisch an alle richtet (Kollektivschuld). Die "Geiz-ist-geil"-Mentalität ist nicht schuld am Druck auf die Löhne, denn das war eine Erfindung der Anbieter wie Aldi, Ikea, Wal-Mart. Und das Renditestreben geht nicht auf die Bankkunden zurück, sondern auf die Mutation der Bankberater zu Verkäufern.

    Rezensent Wilfried Müller

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  4. Wachstumsbeschleuniger

    Im Gegensatz zum Kapitalismus als System zur Akkumulation von Kapital ist die Marktwirtschaft ein System zur Koordinierung wirtschaftlicher Aktivitäten. Und: Es gehört zu den herausragenden propagandistischen Leistungen des Kapitalismus', diesen Unterschied in der Öffentlichkeit fast bis zur Unkenntlichkeit verwischt zu haben.

    Der Finanzsektor ist die profitableste und größte Branche geworden, weil die Banken selber Buchgeld schöpfen dürfen. Das machte die Banken zu Wachstumsbeschleunigern und Profitcentern. Es geht bis zum Kapitalismus als Religion. Wie eine Religion nimmt der Kapitalismus für sich in Anspruch, unberechenbar und undurchschaubar zu sein – er muss sich deshalb nicht für den Schaden rechtfertigen, den er anrichtet. Unglück und Leid brechen nach dem unergründlichen Ratschluss Gottes übers Volk herein, und so ist es halt auch mit den ständig wiederkehrenden Kapitalismuskrisen, ohne dass sie hinterfragt würden.

    Geschichte

    Interessant ist der Blick auf die Historie. 1947 verurteilte die CDU den Kapitalismus scharf und forderte die Vergesellschaftung der Schwerindustrie. Nach dem Weltkrieg verlangten alle führenden westlichen Politiker, den ungezügelten Kapitalismus nicht wieder hochkommen zu lassen. Das machte den Weg in die Soziale Marktwirtschaft frei.

    Bis dann die Welle der Liberalisierung kam. Deregulierung setzte in den 1970ern ein, der Sozialismus brach um 1990 zusammen, die Globalisierung wurde seit den 1990ern immer mächtiger. Letzteres gab dem Kapital neue Druckmittel in die Hand, die Drohung, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern – heute hat das Kapital kein Vaterland, es geht dorthin, wo die niedrigsten Kosten und Steuern und die höchsten Gewinne winken.

    Es reicht schon aus, wenn ein Land anfängt, dem Kapital nachzugeben, und schon werden andere Nationen unter Druck gesetzt. Zusammen mit der Veränderung der Machtbalance verschoben sich auch die Gewinne in ungeahntem Ausmaß zugunsten der Unternehmen. Ihr Wert wuchs enorm, und die Finanzbranche wurde zu den "Herren des Universums".

    Nach dem Crash von 2008 hielt der Schock nur kurz an. Spätestens 2010 war es wieder beim alten. Die Finanzmärkte wurden weitaus weniger reguliert als nötig und angekündigt. Bis auf kleinere Gesetzesänderungen hat sich tatsächlich wenig getan. Die Reform ist nicht bis zum Kern des Problems vorgedrungen, das grundlegende Problem des Machtzuwachses beim Kapitalismus bleibt ungelöst.

    Rezensent Wilfried Müller

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  5. Demokratie

    Das Volk als Ganzes soll herrschen, und nicht Teile davon, keine religiösen Eliten, kein Adel, keine Nomenklatura. Das Prinzip der Selbstbestimmung des Volkes hat in der Demokratie ein höheres Gewicht als das Recht des Kapitals auf Gewinn. Die individuelle Freiheit zur Akkumulation hat deshalb nicht Vorrang vor dem Recht der Demokratie auf die Beschränkung solcher Freiheit.

    Das Vordringen der neoliberalen Ideologie löste dieses Gebot immer weiter auf. Trabold spricht deshalb von einer Plutokratie, zu der unsere Gesellschaft geworden ist. Die Plutokratie hat es geschafft, die Regeln so zu gestalten, dass man in der heutigen Zeit nur noch durch Kapital reich wird. Damit das nicht auffällt, tarnt sich das System als Meritokratie, als Herrschaft der Verdienstvollen.

    Das Volk soll glauben, die Verdienstvollen hätten sich Meriten um Volk, Vaterland und Wirtschaft erworben. Man spricht gern von der Leistungsgesellschaft, wo die Leistungsstarken zu Wohlstand kommen; für die meisten ein attraktives und faires Prinzip. In Wirklichkeit ist der Verdienst der Verdienstvollen meist nur ein finanzieller, und der Wohlstand erwächst eher aus Kapital denn aus Leistung.

    Trotzdem wird das Vermögen als Indikator für Leistung anerkannt. Wer reich ist, muss etwas geleistet haben und darf deshalb nicht so hart besteuert werden. Das Vermögen der Reichen ist geschützt, und dabei spielt es keine Rolle, ob es durch Erbe, Heirat oder eigene Leistung entstand (Anmerkung: spätestens nach 1 Gereration ist es auch egal, ob das Vermögen zusammengestohlen oder -geraubt wurde).

    Das beste Beispiel für eine demokratisch legitimierte Plutokratie sind die USA. Die Wahlen dort sind spektakulär, aber sie gehen an den Wählerinteressen vorbei. Mit ganz wenigen Ausnahmen stammen die Repräsentanten des Volkes nicht aus den arbeitenden Schichten, sondern aus Anwaltsbüros und Vorstandsetagen, so wird ein Wahlmanager zitiert, der vielleicht mehr über deren Arbeit weiß als andere. Letztlich könne der US-Wähler nur noch zwischen dem linken und rechten Flügel der Kapitalistischen Partei entscheiden (dies deckt sich sehr gut mit dem wb-Artikel „Faschistische Staaten von Amerika“).

    Rezensent Wilfried Müller

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