Dienstag, 14. Oktober 2014

Alles, was Sie über "Das Kapital im 21. Jahrhundert" wissen müssen






Alles, was Sie über "Das Kapital im 21. Jahrhundert"
von Thomas Piketty wissen müssen
 Taschenbuch – von Ulrich Horstmann  (Autor)

Ein praktisches Buch für alle, die kompetent mitdiskutieren wollen.
Börse online

Thomas Pikettys voluminöses Werk Das Kapital im 21 Jahrhundert hat die Zunft der Ökonomen entzweit wie kaum ein anderes Buch. Die Volkswirtschaft selbst scheint in ihren Grundfesten erschüttert. Pikettys illustre Leserschar reicht von US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus über den Nobelpreisträger Paul Krugman bis hin zu IWF-Chefin Christine Lagarde.
Doch an seinen Thesen über den Kapitalismus scheiden sich die Geister. Worum geht es also in diesem Opus magnum? Was hat Thomas Piketty untersucht? Welche politischen Empfehlungen – die letztendlich uns alle betreffen – leitet er daraus ab? Wie ist sein Werk einzuordnen und zu interpretieren?
Alles, was Sie über Thomas Pikettys Kapital, seine Thesen und die Kritik daran wissen müssen, hat Ulrich Horstmann in diesem Buch verständlich dargestellt und interpretiert.



3 Kommentare:

  1. Wann wachen wir auf?
    Gerechtigkeit Gegen die wachsende Schere zwischen Arm und Reich hilft nur noch eine antikapitalistische Revolte à la 1968. Pikettys Buch macht klar, dass es Zeit ist, sie zu erneuern.

    Jede von einem Buch ausgelöste Debatte, die sich der Einsicht wenigstens nähert, dass Kapitalismus immer auch Zwangswachstum bedeutet, ist nützlich. Bei Thomas Piketty, dessen Buch Capital in the Twenty-First Century jetzt auch auf Deutsch erschienen ist, stellt sich Wachstum zwar nicht als Zwang dar, sondern nur als eine ständige Tatsache; darin unterscheidet er sich von Karl Marx, Max Weber, John Maynard Keynes oder von Hans Christoph Binswanger, der die Ökosteuer angeregt hat. Aber das ist kein Wunder, da er unter dem Wachstum nicht leidet. Was ihn einzig umtreibt, ist die sich immer weiter öffnende Schere von Arm und Reich. Er ist eben ein Sozialdemokrat. Trotzdem rückt sein Buch das Entscheidende am Kapitalismus ins Zentrum der Aufmerksamkeit: nämlich dass die Begriffe Kapital und Wachstum praktisch austauschbar sind. Und das ist gut so.

    Die Folgeerscheinung, die Pikettys Thema ist, ist auch wahrlich wichtig genug. Wachstum ist nicht gleichmäßig verteilt, sondern Kapitalismus bedeutet, dass Kapitaleinkünfte stärker wachsen als Einkommen aus Arbeit. Das ist der Zwang, den Piketty empirisch beweist. Zwar scheint seine These mit der Entwicklung zwischen 1930 und 1975 nicht so recht übereinzustimmen; aber das Buch kann zeigen, dass die Ungleichheit der Einkommen damals nur wegen besonderer Umstände nicht wuchs. Auch sein Vorschlag, dass es eine sehr starke Progression bei der Einkommensteuer geben müsste, ist begrüßenswert.

    Wenn man mit seinem Ansatz die Geschichte der Bundesrepublik durchleuchtet, findet man ihn natürlich bestätigt. Der Rheinische Kapitalismus war besser und war leider 1975 vorbei. Bis ungefähr 1967 gab es immer gerade so viel Kapital, wie für den erweiterten Wiederaufbau der durch den Weltkrieg zerstörten Volkswirtschaft gebraucht wurde. In einer solchen Situation hängt jedes Einkommen von allen anderen ab; die Reichtumsschere öffnet sich nur leicht.

    Heute hingegen mangelt es dem Kapital an Anlagemöglichkeiten – in der Bundesrepublik sowieso, aber auch in der ganzen Welt –, die zugleich produktiv und profitabel wären. Weil es deshalb auf die Finanzmärkte ausweicht, wächst die Reichtumsschere. Es wäre in der Tat besser, überschüssige Kapitaleinkünfte durch Steuern öffentlich abzuschöpfen und mit ihnen inländische wie weltweite Aufgaben auch dann zu bewältigen, wenn kein Profit dabei herausspringt. Freilich dürfte diese Lösung ohne Revolution nicht zu haben sein.

    Das spricht aber nicht gegen, sondern für Pikettys Buch. Bereiten wir also den Aufstand gegen das Kapital vor! Aber spätestens wenn wir das tun, müssen wir genau wissen, wogegen sich der Aufstand richtet. Wenn es nur darum gehen sollte, die Reichtumsschere abzuschaffen, und nicht auch deren Ursache, den Wachstumszwang, wird sich die Ungerechtigkeit immer wieder neu reproduzieren.

    Man könnte die Geschichte der Bundesrepublik ja auch so erzählen: Zunächst ist das Kapital nur in dem Maße gewachsen, wie es die Umstände im Wirtschaftswunderland ermöglicht und erfordert haben. Das aber hatte ein Ende. Und da hätte man den Kapitalismus beenden sollen. Von da an war es vernünftig, zu einer Produktionsweise überzugehen, die immer nur dort wächst, wo Wachstum sinnvoll erscheint, von Fall zu Fall also statt zwanghaft. Ganz passend kam es damals zur antikapitalistischen Revolte, der von 1968. Pikettys Buch macht jedenfalls klar, dass es Zeit ist, sie zu erneuern.

    MICHAEL JÄGER
    der Freitag

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  2. Nie zuvor hat ein wirtschaftswissenschaftliches Werk wie „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ aus der Feder des Ökonomen Thomas Piketty derart breite Aufmerksamkeit erfahren. Während etwa Keynes´„General Theory“ ausschließlich beim Fachpublikum und der politischen Klasse Beachtung fand, stößt das Elaborat des linken Franzosen (der seit vielen Jahren als Berater der sozialistischen Partei Frankreichs, PS, in Wirtschaftsfragen fungiert) auf breites Interesse des Laienpublikums – namentlich dem aus den Reihen hauptberuflicher Neidgenossen. Viele Intellektuelle, Gewerkschafter und andere um eine „gerechte“ Einkommens- und Vermögensverteilung bemühte Zeitgenossen zeigen sich davon geradezu entzückt.

    Piketty hat – genau zum richtigen Zeitpunkt – mit seiner vermeintlichen „Weltformel“ r > g (Kapitalrendite > Wirtschaftswachstum) unzweifelhaft einen Nerv getroffen. Die gebetsmühlenartig wiederholte Geschichte von der sich öffnenden Kluft zwischen Arm und Reich erhält damit – scheinbar – ein wissenschaftliches Fundament. Mit der aus seinen empirischen Beobachtungen abgeleiteten Forderung nach noch mehr staatlicher Umverteilung, einer stärkeren Einkommensteuerprogression und Substanzsteuern auf Vermögen, liefert Piketty den Sozialisten in allen Parteien exakt jene Argumente, mit denen die ihre niemals erlahmenden Klassenkampfphantasien zu begründen trachten: Ohne massive staatliche Eingriffe in private Eigentumsverhältnisse drohe in unserer Zeit einer anhaltenden Wirtschaftskrise nicht nur eine Erosion des geheiligten Wohlfahrtsstaates, sondern am Ende gar die der Demokratie selbst. Ein geradezu erschreckendes Szenario! Gleichviel, betont der Autor, kein Marxist zu sein (die Wahl des Buchtitels, der sich an Karl Marx´ 1867 erschienenen ersten Band der Prosadichtung „Das Kapital“ anlehnt, ist vermutlich reiner Zufall). Ist es Pikettys Ehrgeiz, zum „neuen Marx“ mit einer besseren Datenbasis zu avancieren?

    Dem Autor gebricht es nicht an Ambition. Mit weniger als damit, einen Bogen von der Zeit Christi bis in unsere Tage zu schlagen, will er sich nicht zufriedengeben. Da verlässliche Wirtschaftsdaten bis ins Jahr 1700 indes weitgehend fehlen, werden diese großzügig von ihm geschätzt. So setzt er zum Beispiel die Kapitalrendite der Jahre 0 – 1700 mit 4,5% an. Daß der Autor all seine Betrachtungen anstellt, ohne dabei die Rolle des Staates zu berücksichtigen (so findet etwa die Verteilungswirkung von Steuern keinerlei Beachtung), erweist sich – im Sinne der von ihm geforderten „sozialen Gerechtigkeit“ – als sehr geschickt. Auch seine Konzentration auf nominale Vermögenswerte unter völliger Vernachlässigung der Wirkung einer inflationistischen (staatlichen!) Geldpolitik, fügt sich bestens in das angestrebte Ziel, weiter in Richtung einer staatlich gelenkten Planwirtschaft voranzuschreiten. Zu den ersten fachkundigen Kritikern des Buches zählt der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn, der (wie auch andere Experten) die Gültigkeit von Pikettys „Weltformel“ rundweg bestreitet. Sinn betont, „…daß eine jede wachsende Größe auf die Dauer nur mit der Rate wachsen kann, mit der auch ihr Zuwachs wächst“. Langfristig gelte daher: r = g.

    Die durch das Buch angestoßene Debatte steht erst an Anfang. Alle Freisinnigen, Liberalen und Gegner eines allmächtigen Staates sind gefordert, sich nach Kräften daran zu beteiligen!

    von Andreas Tögel.

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  3. Thomas Pikettys kolossale Geschichte der Verteilungsverhältnisse im 20. Jahrhundert
    Von Georg Fülberth *

    Da jetzt Thomas Pikettys Buch über das Kapital im 21. Jahrhundert – 2013 auf Französisch, 2014 auf Englisch und auch in deutscher Übersetzung herauskommen ist, ist zu hoffen, dass es endlich hierzulande auch gelesen und nicht nur diskutiert wird.
    Bisher gibt es schon viele Meinungen über dieses Werk, von seinem Inhalt ist aber erst der politische Schlussteil referiert worden. Piketty selbst suchte in zahlreichen Interviews die Öffentlichkeit, und das scheint angebracht angesichts der Tatsache, dass er sofort in Kontroversen geriet.

    Die Keynesianer Paul Krugman und Joseph Stiglitz, beide Nobelpreisträger, riefen sein Buch zum wichtigsten ökonomischen Werk des Jahrzehnts aus. Zu Recht sehen sie in Piketty einen wirtschaftspolitischen Bundesgenossen.

    Neoliberales Gegenfeuer ließ nicht auf sich warten: die Financial Times zweifelte die Seriosität von Pikettys Zahlenmaterial an, kam aber damit nicht durch, und zwar schon deshalb nicht, weil er seine Kurven und Zahlen im Internet kontrollierbar offengelegt hat, während ihre eigenen Angaben weniger transparent sind.

    In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kam Piketty mit einem langen Interview zu Wort, in deren Meinungsteil aber wurde er gleich von mehreren marktliberalen Wirtschaftsprofessoren abgeurteilt.

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