Handbuch Gewaltprävention II:
Für die Sekundarstufen und die Arbeit mit Jugendlichen.
Grundlagen - Lernfelder - Handlungsmöglichkeiten.
Gebundene Ausgabe – von Günther Gugel (Autor)
Gewaltprävention arbeitet an den Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Sie darf sich nicht in einem „gegen Gewalt“ erschöpfen, sondern muss positive Handlungs- und Lebensperspektiven eröffnen, die Gewalt überflüssig machen.
Dieses Handbuch hat primär den Bereich der Erziehung und Bildung im Blick. Dennoch weist es permanent auf die Notwendigkeit hin auch die institutionellen und gesellschaftlichen Verhältnisse einzubeziehen.
Die Inhalte knüpfen an wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnisse über wirksame Gewaltprävention an und bereiten diese für die pädagogische Praxis auf.
In 19 Kapiteln werden die zentralen Aspekte von Gewaltprävention aufgegriffen und für den Einsatz in Schule und Jugendarbeit aufbereitet. Der erste Teil führt in den Diskussionsstand der Grundlagen und Grundfragen der Gewaltprävention ein. Dabei wird insbesondere auf Jugendgewalt und Gewalt in der Schule eingegangen.
Als zentrale Lernfelder werden die Bereiche Kommunikation, konstruktive Konfliktbearbeitung, Demokratie und Werteerziehung, interkulturelles Lernen, Sport und Medien thematisiert.
Die Rolle der Eltern, des kommunalen Umfelds sowie der Entwicklung der Schule im Prozess der Gewaltprävention werden in eigenen Kapiteln untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt sind Handlungsmöglichkeiten in Gewaltsituationen. Hierzu gehören die Bereiche Zivilcourage, Mobbing, rechtsextremistische Gewalt sowie Amoklauf an Schulen. Jedes Kapitel enthält eine Einführung in den Diskussionsstand des jeweiligen Themenbereiches. Daran knüpfen Überlegungen für die Umsetzung in der Praxis an.
Spezifische Materialien für Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler sind für den direkten Einsatz bestimmt. Ein Handbuch, das einen umfassenden Zugang zu Theorie und Praxis der Gewaltprävention bietet.
Das neue "Handbuch der Gewaltprävention"Nach dem ersten Band von 2008, der das Thema für Grundschulen aufbereitet, widmet sich der Leiter des Tübinger Instituts für Friedenspädagogik nun der Arbeit mit Jugendlichen, wiederum (hauptsächlich) an Schulen, diesmal also an den Sekundarstufen.Um es gleich vorweg zu nehmen, das neue Buch des Spezialisten für das Thema „Gewalt an Schulen“ ist ein großer Wurf. Es gelingt Gugel, das Niveau des aktuellen Forschungsstands mit sehr guter Lesbarkeit und hoher praktischer Brauchbarkeit zu verbinden.
Eine nicht unerhebliche Rolle spielt dabei die sehr gelungene (typo)graphische Gestaltung. Übersichtliche, auch optisch gut strukturierte Texte werden durchgehend ergänzt durch Informationskästen, ansprechende Grafiken und eine Vielzahl von unaufdringlichen, das Thema bereichernden Bildern. Die dezente Farbigkeit und gut bemessene Randgebung tun ein Übriges. Solide gebunden ist der fast zwei Kilo schwere Band auch – es macht Spaß, in diesem Buch zu lesen.
Entscheidend ist aber natürlich der Inhalt, und hier vermag das Werk erst recht zu überzeugen. Diese Veröffentlichung ist eine echte Schatzkammer. Zwanzig Kapitel, gegliedert in vier Schwerpunkte mit hunderten von Materialseiten, decken den Themenbereich ab. Dabei widmen sie sich auch Aspekten, die ich nicht unbedingt erwartet hätte, die aber im Kontext „Gewalt“ unmittelbar einleuchten, wie „Demokratie und Werteerziehung“, „Interkulturelles Lernen“ und „Rechtsextremismus“, die jeweils ein eigenes Kapitel erhalten. Natürlich fehlt das Erwartete nicht, Kapitel z.B. zu Kommunikation, gewaltfreien Schul- und Unterrichtsstrukturen oder Konfliktbearbeitung. Einen eigenen Schwerpunkt bildet das „Handeln in Problem- und Gewaltsituationen“, zu dem unter anderem die Kapitel „Zivilcourage Lernen“, „Verhalten in akuten Gewaltsituationen“, „Mobbing“ und „Amoklauf an Schulen“ gehören. Dieser Schwerpunkt thematisiert mit dem Einbezug der Eskalations- und der anschließenden Deeskalationsphase von Konflikten auch Prävention im weiteren Sinne (Sekundär- und Tertiärprävention).
Der Umgang mit der großen Stofffülle wird erleichtert durch eine klare und sinnvolle Struktur. Jedes Kapitel enthält nach einem Problemaufriss eine gründliche Einführung in die zentralen Fragestellungen, oft angereichert mit einer kurzen Vorstellung der wichtigsten aktuellen Forschungsergebnisse. Es folgt jeweils ein Materialteil mit in der Regel 15-20 Kopiervorlagen. Dabei handelt es sich überwiegend um direkt einsetzbare Arbeitsblätter mit konkreten Bearbeitungsaufträgen, es ist jedoch in den meisten Fällen sinnvoll, den Informationsteil des Kapitels zu kennen. Daneben finden sich – vor allem für die Arbeit im Kollegium oder mit Eltern – auch reine Informationstexte. Besonders interessant sind gelegentliche Originaltexte wie der offene Brief der Lehrer der Berliner Rütli-Schule, der 2006 durch die Presse ging, oder ein Zeitungsartikel mit Forderungen der Opferfamilien von Winnenden nach schulpolitischen Konsequenzen aus dem Amoklauf.
Die Materialien zeichnen sich durch ihre überlegte Auswahl und hohe Brauchbarkeit aus. Statt der in kommerziellen Ratgebern oft anzutreffenden oberflächlichen Abdeckung möglichst vieler der vom Käufer vermeintlich erwarteten Aspekte zeigt sich hier die Sachkompetenz einer pädagogischen Forschungseinrichtung.
Sehr fruchtbar scheint mir der weite Horizont, der dem Handbuch zugrunde liegt. Es richtet sein Augenmerk nicht allein auf die einzelnen Gewaltphänomene, sondern bezieht soziale, schulische und gesamtgesellschaftliche Verhältnisse mit ein. Anstelle fruchtloser Klagen über eine von Gewalt geprägte Welt und ihre Wirkung auf junge Menschen gelingt es Gugel jedoch, auch diese Faktoren zur Konzeption klar umrissener und in den jeweiligen Materialien handhabbar operationalisierter Unterrichtsthemen zu nutzen. Dabei wird offenkundig, dass das Phänomen Jugendgewalt von den kleineren und größeren sozialen Einheiten, in denen der einzelne sich bewegt, nicht zu trennen ist. So wird z.B. Prävention, die sich auf Verhalten in Gewaltsituationen oder bei Mobbing konzentriert, ihr Ziel nicht im gewünschten Maß erreichen, wenn sie andererseits Demokratie- und Werteerziehung oder (in vielen Fällen) interkulturelles Lernen ausblendet.
Das Literaturverzeichnis eines solchen Werks könnte bei der Vielzahl angesprochener Themen leicht ins Unüberschaubare wuchern. Auch hier jedoch bleibt Gugel sich treu und bietet eine sinnvoll reduzierte, wenngleich immer noch umfängliche Auswahl, die eine gründlichere Beschäftigung mit Teilaspekten der angesprochenen Komplexe ermöglicht. Neben einigen wenigen Klassikern wie Thoreau, Fromm oder Galtung finden sich hier vor allem viele Aufsätze, in denen Ergebnisse neuerer empirischer Untersuchungen referiert und ihre Konsequenzen diskutiert werden. Eine zweiseitige Linkliste mit Internetadressen von Aktion Tu-was! Für mehr Zivilcourage bis Weltgesundheitsorganisation zu Gewalt und Gewaltprävention komplettiert die Literaturhinweise.
Alles in allem hat Gugel so etwas wie die Quadratur des Kreises geschafft, und der Nutzen des Bands für die Präventionsarbeit an weiterführenden Schulen ist kaum zu überschätzen. Man braucht kein Prophet zu sein um vorherzusagen, dass hier ein Standardwerk entstanden ist, das noch viele Auflagen erleben wird.