Neoliberalismus und die Krise des Sozialen:
Das Beispiel Österreich - Broschiert
von
Wolfgang Maderthaner, Univ.-Doz., Historiker und Kulturwissenschaftler in Wien, Geschäftsführer des Vereins für die Geschichte der Arbeiterbewegung.
Andrea Grisold, a.o. Universitätsprofessorin für Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des sog. Realsozialismus vollzog sich in den vergangenen drei Dekaden eine globale Expansion des Neoliberalismus mit einer hegemonialen Durchsetzung eines politischen Neokonservativismus.
Die Flexibilisierungsstrategien eines neoliberalen "Postindustrialismus" zielen dabei vorrangig auf eine umfassende Neuordnung der Arbeitsmärkte. Angeleitet wurden diese Entwicklungen vor allem durch die komplette Umgestaltung des globalen Finanzsystems unter den Vorzeichen des Übergangs von einem produzierenden zu einem spekulativen Kapitalismus.
Die Beiträge des Bandes analysieren die österreichische Entwicklung seit Mitte der 1970er Jahre vor dem Hintergrund dieser weltweit wirksam gewordenen Prozesse. Es liegt somit eine erstmalige Analyse der ökonomischen Krise und ihrer sozialen Folgen in Österreich vor.
Der spektakuläre Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems hat mit einem Schlag die enormen Selbstzerstörungskräfte der aktuellen Wirtschaftsordnung offenbar werden lassen.
In den drei Dekaden davor hatte sich – ausgehend von minoritären Positionen – eine Expansion des Neoliberalismus zum ebenso unhinterfragten wie konkurrenzlosen Wirtschaftsdogma vollzogen.
Im Übergang von einem produzierenden zu einem spekulativen Kapitalismus führte die neoliberale Transformation zu einer Neuordnung der Arbeitsmärkte und zu markanten sozialen Einschnitten.
Im Kontext dieser weltweit wirksamen Prozesse richten die Beiträge des Bandes ihren Fokus vornehmlich auf die österreichische Entwicklung seit Mitte der 1970er Jahre und konstatieren im Zuge der ökonomischen Veränderungen eine langsame, aber kontinuierliche Korrosion des Sozialen.
Ausgehend von einer minoritären Position – im Kontext des Endzeitszenarios der Großen Depression der frühen 1930er-Jahre waren die liberale ökonomische Theorie und ihr marktradikales Dogma der strikten Nicht-Intervention umfassend diskreditiert worden – vollzog sich in den letzten drei Jahrzehnten der Aufstieg des Neoliberalismus zum ebenso unhinterfragten wie konkurrenzlosen Wirtschaftsdogma.
AntwortenLöschenUnter den Vorzeichen der völligen Neuordnung und Deregulierung der Finanzmärkte und der möglichst weitgehenden Zurückdrängung staatlicher Einflüsse erfolgte eine radikale Restrukturierung gesellschaftlicher
Machtverhältnisse zugunsten der neuen ökonomischen Eliten.
Der Neoliberalismus erweist sich in diesem Sinn nicht zuletzt auch als Vehikel zur umfassenden Neu- und Umverteilung von Macht, Einkommen und Vermögen.
Die enormen Selbstzerstörungskräfte dieser Wirtschaftsordnung wurden durch den spektakulären Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems 2008/9 in atemberaubendem Tempo virulent.
Das Desaster eines krank spekulierten globalen Finanzorganismus offenbarte bislang ungekannte
Dimensionen und vollzog sich in wie im Zeitraffer aneinander gereihten Implosionen von Investmentbanken,
Finanzdienstleistern, Hedgefonds,Versicherungen etc.
Diese desaströsen Kettenreaktionen mündeten in einer allumfassenden, totalen Vertrauenskrise und brachten
mit dem Finanzfluss zwischen den Banken die Lebensader des Finanzsystems überhaupt zum Erliegen: ein
Debakel von wahrhaft epochaler Dimension, das – wie eingangs in dieser Publikation festgehalten wird – halbwegs adäquat nur in Form von Superlativen gemessen werden kann.
Was folgte, waren staatliche Konjunkturprogramme und öffentliche Stützungen des sich im Zustand akuter
Selbstdestruktion befindenden Finanzsektors von historisch einzigartiger Dimension. Der von den neoliberalen
Proponenten so gering geschätzte, ja verachtete Staat erwies sich als buchstäblicher Retter in letzter Sekunde,
freilich nicht ohne enorme direkte und indirekte Kosten für die öffentlichen Haushalte.
Mittlerweile haben „Schuldenkrise“, „Pleitestaaten“ und das „kollektive Über-die-eigenen-Verhältnisse-
Leben“ die Finanzmarktkrise und ihre Folgewirkungen längst aus den Schlagzeilen verdrängt. Tiefergehende
Auseinandersetzungen mit Fragen nach Ursachen und Wirkungen sind dabei zumeist ausgeblendet geblieben.
Umso wertvoller ist die Bestandsaufnahme neoliberaler Hegemonie über die letzten drei Jahrzehnte durch die
vorliegende Publikation. Der Fokus liegt hierbei bei der österreichischen Entwicklung seit Mitte der 1970er-
Jahre. Die AutorInnen werden dieser Thematik durch eine transdisziplinäre Herangehensweise gerecht, bei der
geschichts-, wirtschafts- und politikwissenschaftliche sowie soziologische Erkenntnisse ineinandergreifen.
Am Beginn geht Wolfgang Maderthaner nach einem interessanten Aufriss der jüngsten Entwicklungen der Frage nach, wie der Neoliberalismus zu einem derart dominanten Dogma aufsteigen konnte und welche Implikationen damit einhergehen.
AntwortenLöschenWolfgang Fellner und Andrea Grisold widmen sich der Verteilungsfrage im neoliberalen Zeitalter aus makroökonomischer Perspektive. Die Analyse erfolgt in einem Vergleich Österreichs mit fünf weiteren europäischen Wohlfahrtsstaaten anhand von makroökonomischen Kennzahlen in vier Bereichen (Konjunktur, Beschäftigung, Einkommen und Sozialpolitik).
Daran anschließend beleuchtet Engelbert Stockhammer die Finanzialisierung der Wirtschaftsordnung, d. h.
die Herausbildung einer von Finanzmärkten und Shareholder Value-Orientierung dominierten globalen Wirtschaft.
Otto Penz behandelt die soziale Frage in Österreich im Übergang von einem keynesianischen zu einem neoliberalen Wirtschaftsmodell. Im Zentrum seiner Analyse stehen die Veränderungen der Arbeitsbeziehungen
sowie der Systeme sozialer Sicherheit.
In der nachfolgenden Arbeit widmet sich Birgit Sauer den Transformationspotenzialen der aktuellen Wirtschaftskrise für die Geschlechterverhältnisse.
Zu diesem Zweck werden ökonomische, gesellschaftliche und politische Veränderungen im Neoliberalismus
geschlechterkritisch hinterfragt. Der abschließende Beitrag von Andrea Grisold, Edith Waltner und Klara Zwickl analysiert die Auswirkungen des Aufstiegs des Neoliberalismus in Österreich auf Frauen in der Arbeitswelt
und liefert ein umfangreiches empirisches Bild zu den Geschlechterverhältnissen in Österreich.
Die Untersuchung der Entwicklung von Frauenbeschäftigung, geschlechtsspezifischer Verteilung von (Erwerbs-) Arbeitszeit, Segregation und Einkommensverteilung ergibt insbesondere vor dem Hintergrund der raschen
Verbesserung weiblicher Bildungsniveaus,der gestiegenen Frauenerwerbsquote und des (scheinbar)
wachsenden Bewusstseins über die Notwendigkeit von Frauenförderung ein wenig befriedigendes Ergebnis.
Erik Türk
AK Wien - Wirtschaft und Gesellschaft
Neoliberalismus und die Krise des Sozialen