Otto Bauer und der Austromarxismus
Otto Bauer und der Austromarxismus [Gebundene Ausgabe]
Walter Baier (Autor), Lisbeth N. Trallori (Autor), Derek Weber (Autor)Mag. Dr. rer. soc. oec Walter Baier, geboren 1954 in Wien, studierte
Volkswirtschaft und Soziologie. 1994 - 2006 Bundesvorsitzender, 1995 -
2003 Herausgeber der Wochenzeitung "Die Volksstimme". Arbeitet heute als
Koordinator der Bildungs- und Forschungseinrichtung der Partei der
Europäischen Linken und ist Herausgeber der in sieben Sprachen
erscheinenden europäischen Zeitschrift "transform! european magazine of
alternative thinking and political dialogue". Zahlreiche
Veröffentlichungen.
Das Buch bietet eine Mischung aus historischen Analysen und Beiträgen,
die Perspektiven linker Politik aufzeigen wollen. Wobei es das Anliegen
der HerausgeberInnen ist, "die Abkanzelung des Austromarxismus
als Tarnung opportunistischer Politik mittels radikaler Rheotrik durch
eine differenziertere Sicht zu ersetzen. Seine Limits werden mit den
Grenzen der fordistischen ArbeiterInnenbewegung des vorigen Jahrhunderts
in Beziehung gesetzt. Es ist diese Perspektive, aus der sich das
Verhältnis von Reform und Revolution für heutige Verhältnisse neu
bestimmen ließe."
Bemerkenswert für ein Werk, das aus dem Umfeld
der kommunistischen Tradition kommt, die ersteres stets verfochten hat.
In den Beiträgen, die das angesprochene Ziel leisten sollen, wurde
dabei hauptsächlich auf bekannte linkssozialdemokratische Ansätze und
AutorInnen zurückgegriffen.
So Fritz/Derek Weber, der schreibt: "Bauer
war - auch wenn er in seiner politischen Taktik und Strategie letzten
Endes zu den sozialdemokratischen Reformpolitikern gezählt werden muss -
ein Wortführer des westlichen Marxismus, der die Errungenschaften der
bürgerlichen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts bewahren und in
der sozialistischen Revolution gleichsam aufheben, nicht durch sie
abschaffen wollte. Gleichzeitig war er sich darüber im Klaren, dass die
ökonomischen Verhältnisse in einem entwickelten Land viel komplizierter
waren als im rückständigen Russland."
Hierbei war es
interessant, Giacomo Marramaos Interpretation auf Deutsch (ich hatte ihn
bisher mangels Italienischkenntnissen nicht berücksichtigt) zu lesen -
auch wenn sein Text, wie am Bezug zur Sekundärliteratur erkennbar, aus
den 1970er Jahren stammt.
Die große Stärke des Buchs ist sein
Augenmerk auf Aspekte, die in der breiten Austromarxismus-Rezeption der
1960er bis 1980er Jahre unbeleuchtet geblieben sind, wie vor allem die
Frauen- und Genderfrage. Ich habe einiges von und über
AustromarxistInnen gelesen,
aber die v.a. Artikel von Karin Schneider über "frauen- und
genderpolitischen Positionen im Austromarxismus" und von Eveline List
über Margarethe Hilferding brachten mir einiges an Neuem und bieten
einen wesentlichen Beitrag zur historischen Analyse und Bewertung der
österreichische Sozialdemokratie bis 1934.
Der weiters im Band
enthaltene Überblick über Arbeiten der jüngeren Vergangenheit (etwa
Tommaso La Rocca über Religion, Manfred Bauer über Friedrich Adler)
machen das Buch zu einem aktuellen Referenzwerk.
Schriften von Otto Bauer:
AntwortenLöschen- Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie, Wien 1908
- Die Sozialisierungsaktion im ersten Jahre der Republik, Wien 1919
- Der Weg zum Sozialismus, Berlin 1919
- Bolschewismus oder Sozialdemokratie? Wien 1920
- Kapitalismus und Sozialismus nach dem Weltkrieg, Berlin 1931
- Der Aufstand der österreichischen Arbeiter. Seine Ursachen und seine Wirkungen, Prag 1934
- Die illegale Partei, Paris 1939
- Zwischen den Weltkriegen? Die Krise der Weltwirtschaft, der Demokratie und des Sozialismus, Prag 1936
- Julius Braunthai (Hrsg.): Otto Bauer, Eine Auswahl aus seinem Lebenswerk, Wien 1961
- Werkausgabe, 9 Bd. Wien 1975ff.
Schriften über Otto Bauer:
- Albers, Detlev: Versuch über Otto Bauer und Antonio Gramsci. Zur politischen Theorie des Marxismus, Berlin 1983
- Albers, Detlev / Hindels, Josef / Radice, Lombardo: Otto Bauer und der "dritte" Weg. Die Wiederentdeckung des Austromarxismus durch Linkssozialisten und Eurokommunisten. Frankfurt - New York 1979
- Klein, Horst: Otto Bauers Gesellschaftsidee für eine bessere Welt, in: Leipziger Hefte, hrsg. von der Leipziger Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte, Reihe A. Soziales Denken im 19. und 20. Jahrhundert, Leipzig 1994, Heft 2
- Leichter, Otto: Otto Bauer. Tragödie oder Triumpf, Wien - Frankfurt - Zürich 1970
- Otto Bauer - Theorie und Politik, hrsg. von Detlev Albers, Horst Heimann und Richard Saage, Berlin 1985
"Die Sozialdemokratie ist die Partei der Veränderung zum Wohl der Menschen" - so lautet der erste Satz
AntwortenLöschendes Programmentwurfs 1998. Im Bestreben Arbeit zu schaffen gilt der Unternehmer als Partner. Eine
sozial gerechte Verteilung des Wohlstands sei nur über Steuern zu erzielen, die innerhalb der
Europäischen Union zu harmonisieren seien.
Wie im Parteiprogramm 1978 gelten 1998 "Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität" als Grundwerte. Diese "Grundwerte beruhen auf einem humanistischen Menschenbild. Sozialdemokratie und Religion sind daher keine Gegensätze" - sie waren es auch 1978 nicht.
Eine "klassenlose Gesellschaft", 1978 noch - utopisch - anvisiert, scheint jetzt - realitätsnäher - nicht mehr auf.
Erstrebt wird eine Gesellschaft ", in der sich die menschliche Persönlichkeit frei entfalten kann". Daß dies in einem Europa zunehmender Kapitalkonzentration und hoher Arbeitslosigkeit schwierig sein dürfte, klingt im neuen Programmentwurf mehrfach an.
Der Gleichstellung der Frauen wird, wie schon 1978, besonderer Stellenwert zugewiesen, jetzt auch die Partnerschaft der Geschlechter betont. Ein Programm reflektiert auch wirtschaftliche und sozialpolitische Gegebenheiten.
Eklatant haben sich diese seit den Tagen Otto Bauers, eines der führenden Köpfe des Austromarxismus, verändert.
Quelle:
Otto Bauer. Eine Auswahl aus seinem Lebenswerk. Mit einem Lebensbild Otto Bauers von Julius
Braunthal. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1961
Literatur:
Ackerl, Isabella/Weissensteiner, Friedrich: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten
Republik (Artikel über Otto Bauer, Engelbert Dollfuß). Wien: Ueberreuter 1992
Aigner, Bruno/Kohlbacher, Alfred u.a.: Initiative für eine sozialistische politik der spö. Grazer Erklärung
(10 Punkte-Programm). Wien 1997
Fischer, Heinz (Hg.): Zum Wort gemeldet: Otto Bauer. Europa Verlag.Wien/Frankfurt/Zürich 1968
Freitag aktuell (Hg. SPÖ): Diskussionsentwurf für das neue Parteiprogramm der SPÖ. 27. April 1998
Fröschl, Erich/Zoitl, Helge (Hg.): Otto Bauer (1881-1938). Theorie und Praxis. Beiträge zum
wissenschaftlichen Symposion des Dr.-Karl-Renner-Instituts vom 20. bis 22. Oktober 1981. Europa
Verlag. Wien 1985
Hennig, Eike: Bauer, Otto. In: Lexikon des Sozialismus (Hg. Thomas Meyer u.a.)Bund-Verlag. Köln
1986, Seite 75f.
Kende, Richard: Sand im Getriebe. Otto Bauer (1881-1938). Person und Politik. Maschingeschriebener
Text o.J. Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung Wien.
Leichter, Otto: Otto Bauer. Tragödie oder Triumph. Europa Verlag. Wien/Frankfurt/Zürich 1970
Martin, Hans-Peter/Schumann, Harald: Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und
Wohlstand. Reinbek bei Hamburg. 9. Auflage. 1997
Pelinka, Peter: Erbe und Neubeginn. Die Revolutionären Sozialisten in Österreich 1934-1938. Ludwig
Boltzmann Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung. Europa Verlag Wien 1981
Pittler, Andreas P.: Bruno Kreisky. rororo-monographie 583. Reinbek bei Hamburg 1996
Saage, Richard: Otto Bauer - Ein Lebensbild. Überarbeiteter Aufsatz des Autors aus Euchner W. (Hg.):
Klassiker des Sozialismus. Zweiter Band. Von Jaures bis Marcuse. München 1991, Seiten 166-180.
Vasek, Hans: Der autoritäre Weg in den Untergrund. Bundespressedienst. Austria Feature Service 1998
Winkler, Ernst: Otto Bauer - Bild und Zerrbild. In: Forum Oktober 1964.
Danken möchte der Bundespressedienst Bruno Aigner; Dr. Wolfgang Maderthaner vom Verein für
Geschichte der Arbeiterbewegung.